Wein in der Hostie
Einen Kelch mit Wein zum Abendmahl herumreichen? In Corona-zeiten undenkbar. Im bayerischen Neuendettelsau gibt es deswegen „den Leib und das Blut Christi in einem“.
Den Geistesblitz hatte die Pfarrerin einer fränkischen Gemeinde beim Backen. „Ich habe für meinen Sohn einen Rotweinkuchen gemacht“, erzählt Julia Kleemann. Dabei habe sie gegrübelt, wie sie bei den anstehenden Konfirmationen Abendmahl feiern könnte. „Ich habe mir gedacht: Eigentlich muss es doch möglich sein, Wein in den Hostien zu verbacken. Genauso wie bei meinem Kuchen.“So könne auf den Kelch beim Abendmahl verzichtet werden. Kurzentschlossen rief sie bei der Hostienbäckerei in Neuendettelsau (Landkreis Ansbach) an und erzählte von ihrer Idee.
„Wir haben schon ein paar Testläufe gebraucht“, sagt Sabine Sauernheimer, während sie in der Bäckerei Teig auf die dampfenden Hostieneisen schöpft. „Das Problem ist der Fruchtzucker des Weins. Der Teig ist ganz anders, bleibt am Eisen kleben und bricht viel leichter.“Doch nach einer Woche Tüfteln hätten sie die Rezeptur gefunden. Verraten wird nur so viel: Ein Viertel des Wasseranteils wird durch Weißwein ersetzt.
Jeden Morgen rühren Sauernheimer und ihre Kolleginnen nun den leicht gelblichen Teig an. Dann reiben sie die drei Hostieneisen mit Bienenwachs ein und heizen sie auf 90 Grad. Ein Schöpfer Teig pro Eisen, dann wenige Minuten backen. Über Nacht lagern die Hostienplatten in einem Feuchtraum mit Wassergefäßen, bevor sie ausgestanzt werden.
Strikte Regeln im Gottesdienst
Vor Renate Bürkel türmen sich inzwischen die Hostien. „Normalerweise verpacken wir hundert Stück in einer Rolle“, erzählt die Mitarbeiterin der Bäckerei. Doch wegen der Corona-krise verpackt sie nun jede Hostie einzeln in eine kleine Plastiktüte. So soll die Hostie kontaktlos übergeben werden können.
Rund 140 Gemeinden in Deutschland und Österreich hätten schon Weinhostien geordert, berichtet Diakonie-sprecherin Manuela Renner. Die Gläubigen können beim Abendmahl die Hostie jeweils einzeln abholen und zurück auf der Kirchenbank dann – mit Abstand, aber gemeinsam mit den anderen Gottesdienstbesuchern – zu sich nehmen. „Uns war ganz wichtig, dass das Abendmahl so wieder gemeinsam gefeiert werden kann.“
In der evangelischen Landeskirche gelten momentan strikte Regeln für das Abendmahl: Die Gottesdienstbesucher müssen mindestens 1,50 Meter Abstand zueinander halten. Die Hände müssen unmittelbar vor der Austeilung desinfiziert werden, trotzdem muss die Hostie möglichst ohne Berührung überreicht werden. Wein kann nur in Einzelkelchen ausgeteilt werden. Möglich sei auch, dass Austeilende die Hostie in einen Kelch mit Wein tauchen, am Kelchrand abtupfen und in die Hand des Gottesdienstbesuchers legen. Die Weinhostie sei da eine interessante Alternative, sagte ein Sprecher der Landeskirche.
In der katholischen Kirche nähmen sowieso nur Priester und Kommunionhelfer Hostie und Wein zu sich, betont ein Sprecher des Erzbischöflichen Ordinariats München. Gottesdienstbesucher Nach ein paar Testläufen und einer Woche Tüfteln war das Rezept gefunden. empfangen in der Regel nur die Hostie. Außerdem gelte für die Herstellung der Hostien in der katholischen Kirche eine Art Reinheitsgebot, erklärt eine Sprecherin des Erzbistums Bamberg. „Gemäß der katholischen Tradition werden Hostien ausschließlich aus den Zutaten Weizenmehl und Wasser gebacken. Deswegen ist eine Weinhostie für Katholiken kein Thema.“
Im Internet gebe es auch Anfeindungen, berichtet Renner von der Diakonie Neuendettelsau. Gerade von katholischer Seite, aber auch einige evangelische Kirchen seien skeptisch. „Das muss jeder für sich entscheiden. Unsere Theologen sagen, dass absolut nichts dagegen spricht.“
In der Neuapostolischen Kirche hat die Weinhostie sogar Tradition. Seit 1917 werde zum Abendmahl eine Hostie gereicht, die mit drei Tropfen Rotwein beträufelt ist. Das habe auch hygienische Gründe, erklärt eine Sprecherin der Neuapostolischen Kirche. „In den Jahren zuvor hatte es Grippe-epidemien gegeben und gegen Ende des Ersten Weltkriegs grassierte eine schreckliche Grippe-pandemie.“
Die Kirchengemeinde Alesheim/ Trommetsheim von Pfarrerin Julia Kleemann muss sich noch an die neuen Hostien gewöhnen. „Wir sind eine Dorfgemeinde in Franken, da ist noch alles sehr traditionell.“Doch eine Konfirmation ohne Abendmahl wäre erst recht undenkbar gewesen. „So konnte ich die Hostien schon vor dem Gottesdienst in den Kirchenbänken verteilen“, erzählt Kleemann. Während der Konfirmand am Taufstein einzeln die Weinhostie erhalten habe, konnte die Familie zeitgleich auf ihren Plätzen das Abendmahl feiern. „Ich hatte das Gefühl, dass das gut war.“Ihre Gemeinde habe jedenfalls schon Nachschub bestellt.