Vorschlag für Impfregeln: Alte und Pflegekräfte zuerst
Kommission legt ihre Pläne für die erste Immunisierungswelle vor. Kanzlerin Angela Merkel will noch vor Weihnachten schärfere Einschränkungen.
Zum Start der Coronaimpfungen in Deutschland sollen Ältere über 80, Pflegeheimbewohner und bestimmtes Personal mit hohem Infektionsrisiko voraussichtlich zuerst zum Zug kommen können. Dies entspricht rund 8,6 Millionen Menschen, wie aus einem am Montag verschickten Entwurf der Ständigen Impfkommission (Stiko) hervorgeht. Dazu können Länder und medizinische Fachgesellschaften Stellung nehmen – wegen besonderer Eilbedürftigkeit bis Donnerstag.
Die Stiko schlägt vor, Impfungen zunächst Personengruppen mit besonders hohem Risiko für schwere oder tödliche Krankheitsverläufe anzubieten – sowie Gruppen, die beruflich besonders exponiert sind oder engen Kontakt zu Risikogruppen haben.
Zugleich zeichnet sich ab, dass Bund und Länder noch vor Weihnachten erneut über eine Verschärfung der Corona-regeln beraten. Ursprünglich wollten sie erst am 4. Januar wieder zusammenkommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach in der Sitzung der Unionsfraktion nach Teilnehmerangaben von einer „ganz schwierigen Situation“: Mit den derzeitigen Maßnahmen komme das Land „nicht durch den Winter“. Merkel beklagte den Angaben zufolge, dass derzeit „zu viel über Glühweinstände gesprochen“werde „und zu wenig über Krankenschwestern und Pflegekräfte“.
Auch die baden-württembergische Landesregierung will sich dafür einsetzen, dass Bund und Länder noch vor Weihnachten die Corona-auflagen verschärfen. Ein kleiner, aber relevanter Teil der Menschen befolge die Maßnahmen nicht mehr in der nötigen Konsequenz, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet der „Stuttgarter Zeitung“.
An Schulen im Südwesten, die in Landkreisen mit hohen Corona-infektionszahlen liegen, kann es von diesem Dienstag an Wechsel- und Fernunterricht ab Jahrgangsstufe 8 geben. Das beschloss in Stuttgart das Kultusministerium.
Die Hoffnung auf den Impfstoff ist für viele das Licht am Ende des Tunnels. Die Ständige Impfkommission des Bundes (Stiko) hat einen Plan entworfen, wer zuerst geimpft werden soll. Der Plan liegt dieser Zeitung vor. Das sind die wichtigsten Punkte.
Wer wird zuerst geimpft und wie viele? Der Plan sieht die höchste Priorität bei Bewohnern von Seniorenund Altenpflegeheimen. Das sind rund eine Million Menschen in Deutschland. Dazu kommen Menschen, die über 80 Jahre alt sind (5,4 Millionen). Zur höchsten Priorität zählt auch das Pflegepersonal in den Altenheimen (1,2 Millionen). Die letzte Gruppe mit „sehr hoher Priorität“ist medizinisches Personal mit „besonders hohem Risiko“, sich bei der Arbeit zu infizieren – zum Beispiel in den Notaufnahmen sowie bei der Betreuung von Covid-patienten. Insgesamt gehören zur Gruppe mit höchster Priorität 8,6 Millionen Menschen – also etwas mehr als ein Zehntel der Bevölkerung.
Wann werden Personen mit Vorerkrankungen geimpft? In der dritten Stufe. Vorher soll die Impfung Menschen, die zwischen 75 und 80 sind, medizinischem Personal mit „hohem“Risiko, Menschen mit Demenz und geistiger Behinderung sowie dem Personal, das diese betreut, angeboten werden. Das sind 6,7 Millionen Menschen. Personen mit Vorerkrankungen sowie deren engste Kontaktperson und Menschen zwischen 70 und 75 zählen zur dritten Gruppe. Wenn die Vorerkrankung als „moderates Risiko“eingestuft wird, bekommt die Person in der vierten Gruppe den Impfstoff.
Warum kriegen Obdachlose und Asylbewerber die Impfung vor Lehrern und Erziehern? Obdachlose und Bewohner von Asylunterkünften zählen zur dritten Gruppe, Lehrerinnen und Erzieher folgen erst in der vierten Stufe. Die Stiko argumentiert, dass diese Menschen einen schlechteren Zugang zur medizinischen Betreuung als die Allgemeinbevölkerung hätten und eine Infektion daher häufiger unentdeckt bleibe. Außerdem führten die Lebensumstände dazu, dass die Einhaltung der Abstands- und Hygienemaßnahmen sowie eine mögliche Quarantäne erschwert sei. Bei Asylbewerbern kommt hinzu, dass sich bei einer Infektion in einer Unterkunft viele Menschen anstecken.
Wie lange muss ich warten, wenn ich unter 60 bin, keine Vorerkrankungen habe und nicht zur kritischen Infrastruktur gehöre? In diesem Fall gehören Sie zu den rund 45 Millionen Deutschen, die auf die Massenimpfung warten müssen. Laut Gesundheitsminister Jens Spahn sollte das „spätestens im Sommer“möglich sein – dann auch in den Arztpraxen.
Woher weiß ich, ob ich gleich zu Anfang und wo und wann ich geimpft
werden soll? Relativ einfach dürfte die Sache für die Bewohner von Heimen sein, zu ihnen kommen die mobilen Impfteams. Alle anderen können nicht einfach zum nächstgelegenen Impfzentrum gehen und dort die Injektion verlangen, sondern müssen auf eine „Einladung“warten und dann einen Termin vereinbaren. Wer sich aber genau um dieses Einladungsmanagement kümmern soll, ob Bund, Länder, Einwohnermeldeämter oder Krankenkassen, ist noch nicht ganz klar. Vor Ort muss dann nochmal geprüft werden, ob es sich auch um die richtige Person handelt.
Wie läuft die Impfung ab? Ärzte verabreichen zwei Impfstoffdosen im Abstand von 21 Tagen. Ist der Impfstoff injiziert, muss der Patient fünf Minuten zur Beobachtung bleiben. Risikopatienten werden 15 bis 30 Minuten beobachtet.
Was ist, wenn ich mich zwischen erster und zweiter Impfung mit Corona anstecke? In dem Fall sollten die Ärzte die zweite Impfstoffdosis nicht verabreichen. Liegen mehr als 21 Tage zwischen der ersten und zweiten Dosis, ist das nicht schlimm. Die Serie kann fortgesetzt werden. Allerdings sollten Ärzte darauf achten, dass der Mindestabstand von 14 Tagen vor und nach dem Ende der Impfserie zu anderen Impfungen eingehalten wird.
Kann ich Impfstoffe mixen? Nein. Die Stiko empfiehlt, dass die Impfserie mit dem gleichen Produkt abgeschlossen wird – selbst wenn in der Zwischenzeit andere Impfstoffe zugelassen wurden. Außerdem soll zuerst eine Impfserie vervollständigt werden, bevor neue Personen geimpft werden.
Muss ich mich impfen lassen, wenn
ich Corona hatte? Wer eine Infektion durchgemacht hat, muss sich nicht impfen lassen – zunächst. Allerdings könnte die Impfung später anstehen. Ob und wann Personen mit durchgemachter Infektion doch geimpft werden müssen, ist noch nicht entschieden. Wer mit Corona infiziert war und sich impfen lässt, muss keine Angst vor Nebenwirkungen haben. Es gibt „keinen Hinweis darauf, dass die Impfung nach bereits unbemerkt durchgemachter Sars-cov-2-infektion eine Gefährdung darstellt“, heißt es bei der Stiko. Daher müssen Patienten auch keinen Antikörpertest vorlegen, wenn sie sich impfen lassen wollen.
Muss ich nach dem Impfen eine
Maske tragen? Ja. Denn der Erreger wird nach derzeitigem Forschungsstand weiterhin übertragen – trotz Impfung. Daher muss der Geimpfte auch nach der Behandlung die Schutzmaßnahmen einhalten, also Maske tragen, regelmäßig Hände waschen und Abstand halten.