Ein Leben mit der Stadtkapelle
Giengener Köpfe (105) Mit 84 Jahren ist Eberhard Häring der älteste Musiker der Stadtkapelle. Der Saxofonist feiert nächstes Jahr Jubiläum und will sich dann allmählich zurückziehen.
Eberhard Häring ist 84 Jahre alt und ein überzeugter Liebhaber der Musik. Er spielt seit nahezu 70 Jahren im Musikverein.
Ein Leben ohne Musik? Für Eberhard Häring kaum vorstellbar. Der 84-jährige Saxofonist und Klarinettist betrat 1951 im Jugendblasorchester, das damals noch Jugendkapelle hieß, die aktive Bühne – und stellte seinen ersten Rekord auf. Bis 1980 gehörte er der Jugendkapelle an, so lange wie kein anderer Giengener Musiker. Ab 1973 war er zudem fester Bestandteil der Stadtkapelle.
Häring wirkte in mehreren Bigbands mit, zuletzt im Bläserkraftwerk des Giengener Musikvereins, spielte in einem Jugendtanzorchester und ist bis heute in einer Senioren-formation unter dem Titel „Die kleine Blaskapelle“, die er in Nattheim mitbegründete, federführend tätig.
Schulfreund war schuld
Über einen Schulfreund sei er als 15-Jähriger zur Musikschule gestoßen. „Ich bin da reingerutscht, und es hat einfach Spaß gemacht“, erinnert sich Häring, der aus Berlin stammt und 1944 mit Mutter und fünf Geschwistern nach Giengen kam. Franz Bucher war damals sein Lehrer, ein „sehr temperamentvoller Mann“, bei dem auch mal eine Trompete zu Bruch gegangen sei.
Eberhard Häring begann als Klarinettist und kaufte sich später in Buchers kleinem Laden ein Saxofon. Bis heute ist er diesen Instrumenten treu geblieben, und wenn er nicht durch ein Missgeschick seine beiden Anfangsbeschaffungen verloren hätte, dann würde er wohl noch immer in sie hineinblasen.
Saxofon mal vergessen
Vor rund 20 Jahren hat er Saxofon und Klarinette nebst Notensätzen mal vor der Haustür vergessen. Am anderen Morgen waren die kostbaren Instrumente weg. Wer sie mitgenommen hat, ließ sich nie ermitteln. „Aber das hat natürlich schon sehr wehgetan“, erinnert sich Häring ungern an seinen kostspieligen Fauxpas und die schwerwiegenden Folgen von damals.
Es war aber so ziemlich der einzige Moment, den der Musiker aus den 70 Jahren in unangenehmer Erinnerung behält. Ansonsten ist diese lange Epoche geprägt von unzähligen Erlebnissen, auch weit über das reine Musizieren hinaus. Ausflüge nach Nördlingen oder auch an den Bodensee etwa, zu denen ihn in den Anfangsjahren auch seine Frau Elfi gerne begleitete. Oder die internationalen Beziehungen nach Österreich, Frankreich und ins schweizerische Oppligen. Höhepunkt aber war die Konzertreise
der Stadtkapelle 2007 nach Brasilien. Fast täglich gaben die Giengener Musiker Kostproben ihres Könnens. „Einmal spielten wir in einer Kirche mit einer sagenhaften Akustik“, erinnert sich Eberhard Häring. Gleichzeitig wurde man auch mit erschütternder Armut konfrontiert: „Da war ein Mann, der hatte als einzigen Besitz eine Hose.“Dennoch war es die positive Lebenseinstellung der Brasilianer, die er vor allem im Gedächtnis behielt: „Die hatten immer ein Lächeln im Gesicht.“
Wenn es etwas gibt, dass Eberhard Häring heute am meisten vermisst, dann betrifft es vor allem die gemeinsamen geselligen Unternehmungen. „Die Zeiten haben sich geändert“, bedauert er.
Plante man früher einen Ausflug, dann hätte oft ein Bus nicht gereicht, um alle Mitreisenden zu fassen. Später war das Interesse hingegen so gering, dass man einen Bus nur noch zur Hälfte füllen konnte.
Corona-krise macht zu schaffen
Dabei zeige doch gerade die jetzige Corona-krise, wie wichtig es ist, das Miteinander zu pflegen. Dass man in diesem Jahr fast gar nichts gemeinsam unternehmen konnte, Proben nur bedingt und vorübergehend möglich waren und sämtliche Konzerte abgesagt werden mussten, hat Eberhard Häring sehr zu schaffen gemacht: „Das vermissen alle. Die aktiven Musiker genauso wie die Zuhörer.“
Gleichzeitig weiß der 84-Jährige, der über 30 Jahre in der Personalleitung der Firma Oberdorfer in Heidenheim tätig war, dass das wohl nur ein Vorgeschmack auf seinen „Ruhestand“als Orchestermusiker sein wird. 2021 darf er sein 70-jähriges Jubiläum als aktiver Musiker begehen, danach will er sich allmählich zurückziehen. Ein exaktes Datum seines Aufhörens nennt er nicht, aber es ist ihm klar: „Das werde ich einmal sehr vermissen.“
Musik hält jung
Bei der Stadtkapelle Giengen wird deren dienstältester Mitstreiter sicherlich einmal eine Lücke hinterlassen. Schließlich hielt Häring den Giengenern auch die Treue, als er 1964 nach Heidenheim zog.
„Vielleicht ein Sechstel oder ein Siebtel meines Lebens war der Musik gewidmet“, schätzt er. Bereut hat er diese große Verbundenheit nie: Wenn man bis ins hohe Alter mit jungen Menschen unterwegs sei, bleibe man auch selbst irgendwie jung. Zumindest im Herzen.