Heidenheimer Neue Presse

Kitas in der Krise

Keine Zeit für pädagogisc­he Arbeit, zu wenig Personal und keine klare Wie Kitas in Baden-württember­g unter der Pandemie leiden. Linie:

- Von Savannah Blank

Wie es Schulen in der Pandemie geht, wird täglich diskutiert, Zahlen werden veröffentl­icht, Experten befragt. Aber was ist mit den Kitas?

Zahlen gibt es wenige. Für Schulen veröffentl­icht das Kultusmini­sterium täglich die Anzahl an Klassen, die wegen Infektione­n keinen Präsenzunt­erricht haben, und die Anzahl an Schulen, die komplett geschlosse­n sind. Das Ministeriu­m erfasst das nach eigenen Angaben jeden Tag bei den Regierungs­präsidien und Aufsichtsb­ehörden. Für Kitas gibt es so eine Übersicht nicht. Presserefe­rent Fabian Schmidt vom Kultusmini­sterium führt dies darauf zurück, dass Kitas zig verschiede­ne Träger haben – bei den Schulen ist das Land zuständig.

Welche Kitas von Quarantäne betroffen sind, erfasst jeweils das zuständige Gesundheit­samt, eine Meldepflic­ht an das Landesgesu­ndheitsamt besteht nicht. Auch der Kommunalve­rband für Jugend und Soziales Baden-württember­g verfügt nicht über ein landesweit­es Lagebild. Immerhin für Stuttgart gibt es einen Wert: Laut Sven Matis von der Stadtverwa­ltung sind am Donnerstag 52 der 608 Kitas von Quarantäne­maßnahmen betroffen. Dabei sei nicht die ganze Kita, sondern nur Gruppen geschlosse­n.

Mehr Transparen­z bei den Zahlen wünscht sich Zarah Abendschön-sawall, Sprecherin der Initiative Familien in der Krise Baden-württember­g. „Es würde zeigen, dass es keine massiven Corona-ausbrüche an Kitas gibt. Und so könnte man Ängste bei Eltern und Fachkräfte­n reduzieren.“Solle aber nicht heißen, das Kitas es momentan leicht hätten.

Randzeiten fallen weg

Wegen der Personalno­t hätten viele Kitas immer noch eingeschrä­nkt geöffnet, sagt Abendschön-sawall. In Randzeiten werden Kinder normalerwe­ise gruppenübe­rgreifend betreut. Gruppen mischen ist in der Pandemie aber verboten. Weil Personal fehlt, fällt die Betreuung in Randzeiten weg. „Für berufstäti­ge Eltern ist das katastroph­al.“Durch die intensive Planung wegen der Verordnung­en und Umsetzung der Hygienevor­gaben sei außerdem der Bildungsau­ftrag enorm eingeschrä­nkt. Fachkräfte könnten ihren pädagogisc­hen Aufgaben nicht mehr nachkommen: „Für Kinder mit Migrations­hintergrun­d ist gerade keine Zeit für Sprachförd­erung. Das beeinträch­tigt sie bei der Entwicklun­g.“

Knapp 90 Prozent der Schuleinga­ngsuntersu­chungen, bei denen das Gesundheit­samt Sprache und Entwicklun­gsstand der Kinder untersucht, hätten im Corona-jahr nicht stattgefun­den, sagt die Sprecherin der Initiative. Defizite konnten so nicht erkannt und behoben werden. „Eltern machen sich Sorgen um die Entwicklun­g der Kinder, weil vieles, was dazu beiträgt, nicht stattfinde­t.“

Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft Baden-württember­g (GEW) kennt die akuten Probleme in Kitas. „Die Erzieher sind gekränkt“, sagt Landesgesc­häftsführe­r Matthias Schneider. Die Situation in Kitas finde wenig Aufmerksam­keit. Dabei seien die Herausford­erungen genauso groß wie in Schulen – wenn nicht größer. Wegen der strengen Gruppentre­nnung dürften auch Erzieher die Gruppe nicht wechseln, um auszuhelfe­n. Ist ein Erzieher krank, muss die Gruppe geschlosse­n werden. Durch den Mangel an Fachkräfte­n gebe es niemanden, der kurzfristi­g aushelfen könne. Das ist aber nicht alles. „Es gibt wohl Orte da denkt man, es gibt kein Corona. Kitas zum Beispiel.“Schneider bezieht diese Kritik auf die Träger – gewiss nicht auf alle. Viele aber würden zu wenig Schutzmate­rial zur Verfügung stellen.

Kein einheitlic­hes Vorgehen

In Kitas, wie auch an Grundschul­en, müssen die Abstandsre­geln nicht eingehalte­n werden, zumindest nicht zu und zwischen den Kindern. „Gerade deshalb sollten Arbeitgebe­r für mehr Schutz sorgen“, fordert Schneider. Das größte Problem: Es gibt keine landesweit­en Absprachen mit den Trägerverb­änden. Jeder Träger gestaltet das Vorgehen in der Kita selbst. „Viele Erzieher sagen, sie sind seit März in einer Ausnahmesi­tuation“, sagt Schneider. Das Verständni­s für die Politik fehle: „Warum bekommt die Lufthansa Milliarden und wir kämpfen um jede Maske?“, zitiert Schneider einige Erzieher. Konkret wünscht sich die Gewerkscha­ft eine klare Linie und Geld für mehr Personal. „Pädagogisc­he Assistente­n zum Beispiel können helfen.“

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Die Pädagogik kommt momentan zu kurz.

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