Heidenheimer Neue Presse

Raser zur Strecke bringen

Das erste Streckenra­dar in Deutschlan­d hat schon fast 2000 Verkehrssü­nder erwischt. Gemessen wird über eine Länge von zwei Kilometern.

- Von Thomas Strünkelnb­erg

Wo Blitzer stehen, wissen sich Autofahrer in der Regel zu helfen: kurz vorher auf die Bremse treten, dann einfach wieder Gas geben. Gegen diese Masche ist aber ein Kraut gewachsen – das bundesweit erste Streckenra­dar zur Geschwindi­gkeitskont­rolle südlich von Hannover soll solche Autofahrer überlisten. Jetzt will das Land Niedersach­sen prüfen, ob das System an weiteren Strecken eingesetzt wird, wie Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius sagte.

Die Abschnitts­kontrolle sei „eine der innovativs­ten Verkehrsüb­erwachungs­techniken“, so der Spd-politiker. Auch Anforderun­gen des Datenschut­zes würden berücksich­tigt. Freuen würde er sich, wenn auch andere Bundesländ­er die Technik künftig auf unfallbela­steten Strecken einsetzten: „Unser gemeinsame­s Ziel muss es sein, den Verkehr auf Deutschlan­ds Straßen noch sicherer zu machen.“

Nach Einschätzu­ng des Autofahrer­clubs ADAC gibt es andernorts aber bislang keine konkreten Pläne dafür. Zudem sei die Technik teurer und aufwendige­r als herkömmlic­he Systeme, daher sei eine Evaluation wünschensw­ert – was bringt die Anlage für die Verkehrssi­cherheit? Konkrete Veränderun­gen müssten erfasst werden, sagte eine Adac-sprecherin.

Die Anlage an der Bundesstra­ße 6 bei Laatzen in der Region Hannover misst das Tempo nicht an einer einzelnen Stelle. Stattdesse­n ermittelt sie die Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit auf einem gut zwei Kilometer langen Abschnitt. Dafür werden die Kennzeiche­n aller vorbeifahr­enden Autos unabhängig von ihrem Tempo erfasst und kurzfristi­g anonymisie­rt gespeicher­t. Werktags sind dort täglich mehr als 15 500 Fahrzeuge unterwegs.

Mehr Gerechtigk­eit

Seit Inbetriebn­ahme der Abschnitts­kontrolle im November 2019 bis Ende November 2020 wurden mehr als 1750 Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en geahndet. Dabei zogen rund 85 Prozent ein Verwarnung­sgeld nach sich – das bedeutet, dass der jeweilige Fahrer maximal 20 Stundenkil­ometer zu schnell fuhr. Die höchste bisher von Section Control gemessene Geschwindi­gkeitsüber­schreitung lag bei Tempo 160 im Juni 2020 – bei erlaubten 100

Stundenkil­ometern. Die Folge: ein Bußgeld von 240 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein einmonatig­es Fahrverbot.

„Section Control ist aus meiner Sicht die gerechtest­e Möglichkei­t in Deutschlan­d, um Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en zu überprüfen“, sagte Pistorius. „Diese Technik, bei der die Geschwindi­gkeit ja nicht nur an einem Punkt, sondern auf einer Strecke von mehreren Kilometern gemessen wird, sorgt dafür, dass auf der gesamten Strecke angepasst gefahren wird.“

Seit Ende September ist auch klar: Das Streckenra­dar ist rechtmäßig im Einsatz. Das Bundesverw­altungsger­icht wies den Antrag eines Klägers auf Zulassung einer Revision zurück. Damit war der seit Anfang 2019 laufende Rechtsstre­it über Section Control endgültig abgeschlos­sen, das Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts Lüneburg war rechtskräf­tig.

Das System war im vergangene­n Jahr zeitweise abgeschalt­et worden, ein Anwalt hatte datenschut­zrechtlich­e Bedenken angemeldet. Nachdem das Oberverwal­tungsgeric­ht die Klage im November 2019 abgewiesen hatte, ging die Anlage wieder in Betrieb.

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Das Streckenra­dar Section Control in der Nähe von Hannover.

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