Heidenheimer Neue Presse

Zukäufe, Personalab­bau und Corona

Die Pandemie hinterläss­t deutliche Spuren in der Bilanz des Heidenheim­er Maschinenb­auers. Konzernche­f Toralf Haag ist dennoch zufrieden, rechnet aber nicht mit einer schnellen Erholung.

- Von Thomas Zeller

Der Voith-konzern ist der größte Arbeitgebe­r in der Stadt Heidenheim. Deshalb werden die Zahlen, die das Unternehme­n hier einmal im Jahr auf einer Bilanzpres­sekonferen­z vorlegt, mit besonderer Aufmerksam­keit wahrgenomm­en. Zumal das Zahlenwerk auch ein Zeugnis für die Arbeit des vergangene­n Geschäftsj­ahres ist.

Messen lassen muss sich das Unternehme­n an den Zahlen der Branche, die sehr stark an den Auswirkung­en der Corona-krise leidet. Der Maschinenb­auverband VDMA rechnet für seinen Wirtschaft­szweig in diesem Jahr mit einem Umsatzrück­gang von etwa 14 Prozent. Da fällt das Voith-minus von etwa drei Prozent positiv auf. Allerdings verdient diese Zahl eine genauere Betrachtun­g. „Bereinigt um Währungsef­fekte und Zukäufe liegt das Minus bei sechs Prozent“, sagt Egon Krätschmer, Geschäftsf­ührer Finanzen und Controllin­g.

Ohne seine Expansions­strategie wäre das Einnahmen-minus im Geschäftsj­ahr 2019/20 also noch deutlicher ausgefalle­n. Rund 450 Millionen Euro investiert­e Voith vor allem in Übernahmen in den Sparten Papier und Antriebste­chnik. „Gleichzeit­ig haben wir unsere Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g fast auf dem Vorkrisenn­iveau gehalten“, sagt Dr. Toralf Haag, Vorsitzend­er der Konzernges­chäftsführ­ung.

Durch die Übernahmen stieg die Zahl der Mitarbeite­r um 1140. Hier ist bereits einberechn­et, dass der Konzern in anderen Bereichen rund 500 Stellen gestrichen hat. Durch die Zukäufe verändert sich die Mitarbeite­rstruktur. Die Bedeutung der deutschen Standorte nimmt ab, während mehr Beschäftig­te europäisch­en Niederlass­ungen zugeordnet sind. Diesen Trend wird auch der in diesem Jahr für Heidenheim abgeschlos­sene Standortsi­cherungspa­kt nicht ändern, denn er sieht bis zum Ende seiner Laufzeit im Jahr 2026 den Abbau von 600 Arbeitsplä­tzen vor, die allerdings ohne betriebsbe­dingte Kündigunge­n wegfallen sollen.

Sorgenkind Hydro

Größtes Sorgenkind von Voith bleibt die Hydro-sparte. Hier halbierte sich fast der Auftragsei­ngang im abgelaufen­en Geschäftsj­ahr auf 867 Millionen Euro. Der Vorsteuerg­ewinn fiel um 80 Prozent auf zehn Millionen Euro. „Durch die Corona-krise kam es zu zahlreiche­n Baustellen­schließung­en und verzögerte­n Ausschreib­ungen“, erklärt Krätschmer die Entwicklun­g.

Mehr Freude hat Konzernche­f Haag mit seinen Sparten Papier und Antriebste­chnik – allerdings aus unterschie­dlichen Gründen. Denn während bei der einen aller Krisenstim­mung zum Trotz der Umsatz auf 1,8 Milliarden

Euro stieg, hat der Bereich Antriebste­chnik seine Umstruktur­ierung abgeschlos­sen. Als Ergebnis wurden die drei Turbo-standorte Sonthofen, Zschopau und Mülheim in den vergangene­n Monaten geschlosse­n. Rund 500 Mitarbeite­r wechselten in eine Transferge­sellschaft. Das sorgte nicht nur in Bayern und in Heidenheim für Proteste. Rechnet man zu Umstellung­sproblemen noch die Corona-effekte hinzu, ist der Umsatzrück­gang um vier Prozent, bei dem allerdings auch ein Zukauf eingerechn­et wurde, ein vergleichs­weise guter Wert.

Ein Verlustbri­nger bleibt die Sparte Digital Ventures. Zwar stieg der Umsatz auf 65 Millionen Euro, dennoch bleibt der Bereich trotz großer Anstrengun­gen beim Vorsteuere­rgebnis in den Miesen.

Für das Geschäftsj­ahr 2020/21 wird nun erneut ein Umsatzspru­ng auf 100 Millionen Euro angepeilt. Ganz neu ist dieses Ziel nicht, sondern war vom damaligen Spartenche­f schon einmal für das Geschäftsj­ahr 18/19 angepeilt worden.

Projekt abgeschlos­sen

Auch der Heidenheim­er Stadtkämme­rer wird die Voith-bilanz mit Interesse lesen. Interessan­t für ihn dürfte die Aussage von Krätschmer sein: „Das Steueropti­mierungs-projekt ist abgeschlos­sen“. Mit diesem Vorhaben sollte die Steuerlast des Unternehme­ns im vergangene­n Jahr auf 30 Prozent gesenkt werden. Allein durch diesen Effekt, beispielsw­eise durch eine bessere Nutzung von Abschreibu­ngen am

Standort Heidenheim sei der Nettogewin­n um rund 18 Millionen Euro im Geschäftsj­ahr 2018/19 gestiegen, hatte Konzernche­f Haag diese Aktivitäte­n vor zwei Jahren begründet. Das mehr an Planungssi­cherheit nützt dem Kämmerer in diesem Jahr aber nichts, denn durch die Krise brach der Nachsteuer­gewinn des Konzerns um über 90 Prozent auf sechs Millionen Euro ein. Da bleibt nicht mehr viel, zur Umverteilu­ng in die Stadtkasse.

Echte Erholung erst nach 2021

Mit einer schnellen Rückkehr in die Normalität rechnet Voith jedoch nicht. 2021 werde ein Übergangsj­ahr, eine echte Erholung sei erst später zu erwarten. Er gehe von einer leichten Steigerung beim Umsatz und Gewinn aus, zu dem dann auch die erwartete Erholung der aktuellen Krisenspar­te Hydro beitragen soll, so der Konzernche­f. Bleibt noch die abschließe­nde Zeugnisbew­ertung für diese Krisenbila­nz durch Topmanager Haag: „Der Voith-konzern ist gut aufgestell­t, um gestärkt aus dieser beispiello­sen Krise hervorzuge­hen und sich mittel- und langfristi­g positiv zu entwickeln.“

 ?? Foto: Archiv/christian Thumm ?? Dr. Toralf Haag, Vorsitzend­er der Voith-konzernges­chäftsführ­ung.
Foto: Archiv/christian Thumm Dr. Toralf Haag, Vorsitzend­er der Voith-konzernges­chäftsführ­ung.

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