Die unterschätzte Branche im Land
Baden-württembergische Firmen spielen eine wichtige Rolle und wollen weiter hoch hinaus.
Ein wenig Baden-württemberg schwebt mehr als 500 Kilometer über der Erde: Membranbälge der Firma Witzenmann aus Pforzheim sind im Weltraumteleskop Hubble eingebaut und dienen dort als Dichtungselemente. Die Firma, die unter anderem Schläuche, Kompensatoren und Fahrzeugteile insbesondere für die Autoindustrie herstellt, will strategisch im Bereich Aerospace investieren.
„Gerade Raumfahrt ist ein langfristiges Geschäft“, sagt Michael Weber, Vice President Aerospace. „Wenn es einmal losgeht, haben Sie sehr konkrete Prognosen für fünf bis zehn Jahre.“Daher mache Corona der Branche nicht viel aus.
Die Branche ist eher unbekannt, bisweilen unterschätzt. Obwohl quasi jeder durch Navigation, Telekommunikation oder Wettervorhersagen im Grunde täglich mit Errungenschaften aus der Raumfahrt zu tun hat.
Der Südwesten spielt dabei eine wichtige Rolle. Gut 40 Prozent aller Beschäftigten der deutschen Raumfahrt-industrie arbeiten hier. Bis zu 60 Prozent der in Deutschland ausgebildeten Raumfahrt-ingenieure kämen von einer Südwest-hochschule, sagt Rolf-jürgen Ahlers, der Vorstandschef des Forums Luft- und Raumfahrt Baden-württemberg. Rund 10 000 Mitarbeitern in der Raumfahrt stünden 6500 bis 7000 in der Luftfahrt gegenüber.
Die Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik und Geodäsie der Universität Stuttgart gilt als größte Luft- und Raumfahrtfakultät in Europa. Sie hat 2010 das 100-jährige Bestehen gefeiert.
Firmen aus Baden-württemberg sind vor allem für den Bau von Satelliten, ihren Triebwerken, Fernerkundungs- und lebenserhaltenden Systemen sowie der Satellitenkommunikation international bekannt. Dazu gehören nicht nur Produktionsstätten großer Namen wie Thales oder Airbus Defence & Space.
Faulhaber mit Sitz in Schönaich (Kreis Böblingen) etwa stellt Mini- und Mikroantriebe her. Sie seien robust und hielten dem Druck beim Start einer Rakete
stand, sagt eine Sprecherin. Die Firma arbeitet auch mit Spacex (USA) zusammen, ihre Technik steckt in Raumfahrzeugen für Mond, Mars und Kometen sowie in einem Seismometer, das für die Nasa Beben Mars erfassen soll.
Weltweit droht jedoch Konkurrenz. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht gegen die USA ins Hintertreffen geraten“, sagt Weber. Spacex etwa biete kostengünstige Produktions- und Entwicklungsmethoden, während die Europäische Weltraumorganisation ESA teils an 30 Jahre alten Vorgaben beispielsweise beim Design festhalte, das inzwischen günstiger herzustellen wäre – bei gleicher Sicherheit. „Wir müssen in der Industrie effektiver werden.“Die Lohnkosten spielten keine entscheidende Rolle. „Es geht darum, ob Teile dreimal geröntgt werden müssen, wenn zweimal auch reicht.“
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