Mehr als nur literarisches Gemüse
Sybil Gräfin Schönfeldt ist wieder bei Autorinnen und Autoren einkaufen gegangen für ihren Küchenkalender.
Es ist in dieser Welt gerade viel die Rede von Büchern als Lebensmittel. Das Essen aber ist naturgemäß auch ein großes Thema der Literatur – angefangen von einer in Lindenblütentee getunkten Madeleine, die in Marcel Prousts Jahrhundertroman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ein „unermessliches Gebäude der Erinnerung“aufschließt. Andere Schriftsteller wiederum, darunter Günter Grass, kochten fast so leidenschaftlich wie sie erzählten. „Zeit“ist jetzt ein gutes Stichwort: „Der literarische Küchenkalender 2021“liegt nämlich auf der Anrichte, herausgegeben von Sybil Gräfin Schönfeldt – verlegt in der edition momente (hochformatig, 60 Blatt, 20 Euro).
Nachzulesen ist Woche für Woche – und auch schön anzuschauen, was 53 Autorinnen und Autoren über das Essen und das Trinken geschrieben haben. Zu den Zitaten gibt’s Beilagen: biografische Notizen, Bilder und vor allem auch Rezepte. Literatur, tatsächlich nahrhaft.
Gräfin Schönfeldt hat bestaunenswert festgestellt, das erfahrungsgemäß in jedem Jahr ein Lebensmittel, ein Gericht der Renner ist. „Es gab Schnitzeljahre, immer wieder ein Apfeljahr, und jüngst endete das Kartoffeljahr; Kartoffelsuppe, Kartoffelsalat, Kartoffelgratin . . .“, bilanziert sie für 2020. Und 2021? Ein „Gemüsejahr“. Wobei auch eine Pfirsichtorte mit Schlagsahne aufgetischt wird aus Stewart O’nans Roman „Henry persönlich“. Oder Zitronenplätzchen aus Nora Bossongs Roman „Schutzzone“. Nobert Gstrein serviert „Kalbsleber für den kleinen Bruder“. Und Saša Stanišic („Herkunft“) legt sogar Schweinenacken auf den Grill.
Wer den Küchenkalender ganzjährig nutzt, kann sich sowieso Menüs zusammenstellen. Oder literarische Kombinationen verspeisen: erst ein Biryani, wie es in Salman Rushdies Roman „Quichotte“zubereitet wird, und dann Arme Ritter.