Noch kein Drama
Ein schwieriges Jahr für Arbeitnehmer wie für Unternehmen geht zu Ende, und ähnlich problematisch geht es 2021 weiter. Viele sorgen sich um den Arbeitsplatz und die Zukunft ihres Betriebs, sind in Kurzarbeit oder haben gar ihren Arbeitsplatz verloren. Die Sorge wächst, dass sich durch Corona die Einkommensunterschiede in Deutschland verstärken. Das ist verständlich, aber so pauschal nicht begründet. Zumindest derzeit nicht.
Die gewerkschaftsnahe Hans-böckler-stiftung kam schon vor einigen Wochen zum Ergebnis, dass bisher Geringverdiener fast doppelt so häufig von Einbußen betroffen waren wie Menschen mit hohen Einkommen, und sie haben auch relativ gesehen am meisten verloren. Stimmt, analysierte jetzt das unternehmensnahe Institut der deutschen Wirtschaft. Allerdings nur ohne die vielen Anti-krisen-maßnahmen wie Kurzarbeitergeld und Kinderbonus sowie sozialpolitische Veränderungen wie höhere Grundsicherung oder bessere Leistungen bei Wohngeld und Kinderzuschlag. Unterm Strich habe sich die Ungleichheit nicht erhöht. Dies bestätigte das Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung, das zur Bundesagentur für Arbeit gehört und daher nicht im Verdacht steht, einseitig eine Meinung zu vertreten. Unterm Strich bleiben die verfügbaren Einkommen praktisch gleich.
Solche Aussagen sind zwangsläufig schwierig, weil es beim Einzelnen ganz anders aussehen kann. Trotzdem sollte mehr anerkannt werden, welch große Hilfen es in den letzten Monaten gab. Nicht alles stammte aus Steuermitteln. So wurden für das Kurzarbeitergeld, das viele Stellen sicherte, in guten Jahren von Arbeitnehmern und Arbeitgebern Milliarden-rücklagen gebildet. Nur soweit das nicht reicht, muss der Bund einspringen. Anderes hat sehr wohl der Steuerzahler finanziert, etwa den Kinderbonus von 300 Euro. Zweifellos hätten sich gerade Eltern in schwierigen finanziellen Verhältnissen mehr gewünscht. Aber auch sie sollten wenigstens registrieren, dass ihnen geholfen wurde.
Soweit das alles der Staat bezahlt, geht es zu Lasten der Steuerzahler, ob heute oder in Zukunft. Davon müssen die Gutverdienenden zu Recht einen besonders großen Teil tragen. Dass sie aufgrund des progressiven Steuertarifs schon heute viel von ihrem Einkommen abgeben müssen, wird oft vergessen, auch wenn sich trefflich
Unternehmer sind nicht immer reich. Viele Selbstständige stehen vor den Trümmern ihrer Existenz.
streiten lässt, ob es genug ist. Das ist ebenso eine sehr subjektive Frage wie die, ob das alles gerecht ist.
Bei den Diskussionen über Einkommensverluste von Arbeitnehmern sollten die Unternehmer nicht vergessen werden. Das sind ja nicht nur „die Reichen“, sprich die Großkapitalisten, die sogar in der Krise noch gewinnen. Viele Soloselbständige stehen vor den Trümmern ihrer Existenz, und zahlreiche Mittelständler geht es genauso, die lange als wohlhabend galten, deren Zukunft aber gerade samt ihrer Altersversorgung zerbröselt. Dabei hatten viele schon mit dem Strukturwandel schwer zu kämpfen. Jenseits ihres persönlichen Schicksals geht es da auch um viele Stellen, und an denen müssen gerade die Arbeitnehmer größtes Interesse haben.
leitartikel@swp.de