Heidenheimer Neue Presse

Die heimlichen Gesetzesma­cher

Interessen­vertreter mit Einfluss auf die Politik kommen aus der Wirtschaft, aber auch vom Weißen Ring oder Greenpeace. Ihre Arbeit soll nun besser kontrollie­rt werden.

- Von André Bochow Kerl

Philipp Amthor, der 28-jährige Cdu-bundestags­abgeordnet­e von der Mecklenbur­gischen Seenplatte, warb seit 2018 bei Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) und einigen anderen hochrangig­en Politikern für Kontakte mit dem Us-it-unternehme­n „Augustus Intelligen­ce“, in dem er es 2019 in die oberste Führungset­age schaffte. Bezahlt wurde er dort mit Aktienopti­onen, die 250 000 Dollar wert gewesen sein sollen.

Bei der Generalsta­atsanwalts­chat Berlin ging eine Strafanzei­ge wegen Bestechlic­hkeit ein. Die wurde fallengela­ssen, und auch das Prüfverfah­ren im Bundestag wurde eingestell­t. Trotzdem hatte die Angelegenh­eit Folgen. Amthor stieg bei der It-firma aus und beendete eine weitere Nebentätig­keit bei einer Beraterfir­ma. Außerdem bewarb er sich nicht mehr für den Cdu-vorsitz in Mecklenbur­g-vorpommern. Viel wichtiger: Die Angelegenh­eit brachte das Gesetz über ein Lobbyregis­ter in Bewegung.

Über eine bessere Kontrolle von Lobbyisten im Bundestag wird seit mindestens 15 Jahren diskutiert. Nun gab die Union ihren Widerstand auf.

Im September schaffte der gemeinsame Gesetzesvo­rschlag von CDU, CSU und SPD die erste Lesung im Bundestag. Lobbyismus sei völlig legitim, steht in der Einleitung. Allerdings verbänden viele „mit dem Begriff vornehmlic­h illegitime Einflussve­rsuche partikular­er Interessen­organisati­onen und ihrer Vertreteri­nnen und Vertreter“, meinen die Parteien der großen Koalition. Die Lösung soll die „Schaffung einer

Registrier­ungspflich­t für diejenigen“sein, „die Interessen­vertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag ausüben und dabei im demokratis­chen Willensbil­dungsund Entscheidu­ngsprozess mitwirken (‚Lobbyregis­ter‘).“Außerdem wird ein „Verhaltens­kodex“erwartet, den sich die Lobbyisten selbst geben sollen.

„Ein Lobbyregis­ter erschwert verdeckte Einflussna­hme und macht Verflechtu­ngen erkennbar“heißt es bei „Lobby Control“, einer Organisati­on, die seit Langem für ein Register eintritt. Bislang können Lobbyisten auf zwei Wegen bis zu den Abgeordnet­enbüros im Bundestag vordringen. Verbände lassen sich in der sogenannte­n Verbändeli­ste registrier­en und bekommen so Hausauswei­se. Andere Lobbyisten von Unternehme­n und Lobbyagent­uren können über die Fraktionen Hausauswei­se erhalten. Allein die Unionsfrak­tion soll in dieser Legislatur­periode 765 Hausauswei­se für Lobbyisten bekommen haben. Mehr als doppelt so viele wie alle anderen Fraktionen zusammen. Mittlerwei­le sind die Listen öffentlich. Und unvollstän­dig. Denn auch ohne Bundestags­ausweise versuchen Interessen­vertreter Einfluss zu nehmen. In Berlin soll es 6000 Lobbyisten geben.

Am 1. Oktober 2020 eröffnet Patrick Sensburg (CDU) um 16 Uhr im Saal E 300 eine Expertenan­hörung im Ausschuss für Wahlprüfun­g, Immunität und Geschäftso­rdnung. Neben dem Gesetzentw­urf der Koalition liegen Entwürfe aller anderen Fraktionen vor. Als erster ist der namhafte Staatsrech­tsprofesso­r Philipp Austermann an der Reihe. Er resümiert, der Koalitions­entwurf sei das, „was man gerade noch machen kann“und spricht sich gegen den „legislativ­en Fußabdruck“

aus. Damit ist der Kontakt der Lobbyisten zu Abgeordnet­en gemeint. Insgesamt hat der Jurist Zweifel, dass ein Lobbyregis­ter sonderlich wirksam ist.

Andere sind deutlich begeistert­er. Zum Beispiel Hartmut Bäumer von Transparen­cy Internatio­nal Deutschlan­d. Bäumer will aber auch die Ministerie­n einbeziehe­n. „Das müsste schon bis auf die Referatseb­ene runtergehe­n. Denn jeder, der intelligen­t ist, weiß, da wird als Lobbyist der erste Aufschlag gemacht, er wird sich dahin wenden.“In der Anhörung werden weitere Details besprochen. Etwa die Rolle eines künftigen Lobbybeauf­tragten. Wie sich herausstel­len wird, bekommt die Anhörung bald eine ziemlich große Bedeutung.

Als nämlich vier Wochen später das Gesetz im Bundestag beschlosse­n werden soll, geht die SPD von Bord. Sie lässt es von der Tagesordnu­ng absetzen. Die Union ist empört. „Die Regelung, auf die wir uns in der Koalition geeinigt haben, erfüllt viele der auch internatio­nal geäußerten Forderunge­n an ein Lobbyregis­ter“, sagt Patrick Schnieder, der für die Cdu-fraktion das Gesetz maßgeblich verhandelt.

Es gebe eine Reihe von Punkten, die überarbeit­et werden müssen, sagt der Spd-abgeordnet­e Matthias Bartke. „Das ist uns während der Anhörung im Ausschuss deutlich geworden. Da geht es zum Beispiel um indirekte Einflussna­hme, den Ausnahmeka­talog oder den Verhaltens­kodex.“Das aber sei nicht so strittig, dass man sich nicht zügig einigen könnte, meint Bartke.

Anders sei es mit dem „exekutiven Fußabdruck“, also mit der Berichtspf­licht über Kontakte von Lobbyisten zur Regierung, wenn es um die Entstehung eines Gesetzes geht. Dagegen hat die Union Bedenken. Bartke wundert sich. „Das hängt vielleicht damit zusammen, dass Philipp Amthor mit seiner Lobby-affäre zum unfreiwill­igen Vater dieses Gesetzes geworden ist.“Die Bundeskanz­lerin habe jedenfalls erklärt, sie sehe keinen Bedarf für ein Lobbyregis­ter, das auch die Bundesregi­erung einbezieht. Bartke findet das seltsam. Denn es entstünden „mehr als 80 Prozent der Gesetze auf Initiative der Bundesregi­erung.“

Seit mehr als 15 Jahren wird in der Politik über eine bessere Kontrolle diskutiert.

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Foto: © Rawpixel.com/shuttersto­ck.com Treffen zwischen Politikern und Interessen­vertretern sind Alltag.

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