Die heimlichen Gesetzesmacher
Interessenvertreter mit Einfluss auf die Politik kommen aus der Wirtschaft, aber auch vom Weißen Ring oder Greenpeace. Ihre Arbeit soll nun besser kontrolliert werden.
Philipp Amthor, der 28-jährige Cdu-bundestagsabgeordnete von der Mecklenburgischen Seenplatte, warb seit 2018 bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und einigen anderen hochrangigen Politikern für Kontakte mit dem Us-it-unternehmen „Augustus Intelligence“, in dem er es 2019 in die oberste Führungsetage schaffte. Bezahlt wurde er dort mit Aktienoptionen, die 250 000 Dollar wert gewesen sein sollen.
Bei der Generalstaatsanwaltschat Berlin ging eine Strafanzeige wegen Bestechlichkeit ein. Die wurde fallengelassen, und auch das Prüfverfahren im Bundestag wurde eingestellt. Trotzdem hatte die Angelegenheit Folgen. Amthor stieg bei der It-firma aus und beendete eine weitere Nebentätigkeit bei einer Beraterfirma. Außerdem bewarb er sich nicht mehr für den Cdu-vorsitz in Mecklenburg-vorpommern. Viel wichtiger: Die Angelegenheit brachte das Gesetz über ein Lobbyregister in Bewegung.
Über eine bessere Kontrolle von Lobbyisten im Bundestag wird seit mindestens 15 Jahren diskutiert. Nun gab die Union ihren Widerstand auf.
Im September schaffte der gemeinsame Gesetzesvorschlag von CDU, CSU und SPD die erste Lesung im Bundestag. Lobbyismus sei völlig legitim, steht in der Einleitung. Allerdings verbänden viele „mit dem Begriff vornehmlich illegitime Einflussversuche partikularer Interessenorganisationen und ihrer Vertreterinnen und Vertreter“, meinen die Parteien der großen Koalition. Die Lösung soll die „Schaffung einer
Registrierungspflicht für diejenigen“sein, „die Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag ausüben und dabei im demokratischen Willensbildungsund Entscheidungsprozess mitwirken (‚Lobbyregister‘).“Außerdem wird ein „Verhaltenskodex“erwartet, den sich die Lobbyisten selbst geben sollen.
„Ein Lobbyregister erschwert verdeckte Einflussnahme und macht Verflechtungen erkennbar“heißt es bei „Lobby Control“, einer Organisation, die seit Langem für ein Register eintritt. Bislang können Lobbyisten auf zwei Wegen bis zu den Abgeordnetenbüros im Bundestag vordringen. Verbände lassen sich in der sogenannten Verbändeliste registrieren und bekommen so Hausausweise. Andere Lobbyisten von Unternehmen und Lobbyagenturen können über die Fraktionen Hausausweise erhalten. Allein die Unionsfraktion soll in dieser Legislaturperiode 765 Hausausweise für Lobbyisten bekommen haben. Mehr als doppelt so viele wie alle anderen Fraktionen zusammen. Mittlerweile sind die Listen öffentlich. Und unvollständig. Denn auch ohne Bundestagsausweise versuchen Interessenvertreter Einfluss zu nehmen. In Berlin soll es 6000 Lobbyisten geben.
Am 1. Oktober 2020 eröffnet Patrick Sensburg (CDU) um 16 Uhr im Saal E 300 eine Expertenanhörung im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Neben dem Gesetzentwurf der Koalition liegen Entwürfe aller anderen Fraktionen vor. Als erster ist der namhafte Staatsrechtsprofessor Philipp Austermann an der Reihe. Er resümiert, der Koalitionsentwurf sei das, „was man gerade noch machen kann“und spricht sich gegen den „legislativen Fußabdruck“
aus. Damit ist der Kontakt der Lobbyisten zu Abgeordneten gemeint. Insgesamt hat der Jurist Zweifel, dass ein Lobbyregister sonderlich wirksam ist.
Andere sind deutlich begeisterter. Zum Beispiel Hartmut Bäumer von Transparency International Deutschland. Bäumer will aber auch die Ministerien einbeziehen. „Das müsste schon bis auf die Referatsebene runtergehen. Denn jeder, der intelligent ist, weiß, da wird als Lobbyist der erste Aufschlag gemacht, er wird sich dahin wenden.“In der Anhörung werden weitere Details besprochen. Etwa die Rolle eines künftigen Lobbybeauftragten. Wie sich herausstellen wird, bekommt die Anhörung bald eine ziemlich große Bedeutung.
Als nämlich vier Wochen später das Gesetz im Bundestag beschlossen werden soll, geht die SPD von Bord. Sie lässt es von der Tagesordnung absetzen. Die Union ist empört. „Die Regelung, auf die wir uns in der Koalition geeinigt haben, erfüllt viele der auch international geäußerten Forderungen an ein Lobbyregister“, sagt Patrick Schnieder, der für die Cdu-fraktion das Gesetz maßgeblich verhandelt.
Es gebe eine Reihe von Punkten, die überarbeitet werden müssen, sagt der Spd-abgeordnete Matthias Bartke. „Das ist uns während der Anhörung im Ausschuss deutlich geworden. Da geht es zum Beispiel um indirekte Einflussnahme, den Ausnahmekatalog oder den Verhaltenskodex.“Das aber sei nicht so strittig, dass man sich nicht zügig einigen könnte, meint Bartke.
Anders sei es mit dem „exekutiven Fußabdruck“, also mit der Berichtspflicht über Kontakte von Lobbyisten zur Regierung, wenn es um die Entstehung eines Gesetzes geht. Dagegen hat die Union Bedenken. Bartke wundert sich. „Das hängt vielleicht damit zusammen, dass Philipp Amthor mit seiner Lobby-affäre zum unfreiwilligen Vater dieses Gesetzes geworden ist.“Die Bundeskanzlerin habe jedenfalls erklärt, sie sehe keinen Bedarf für ein Lobbyregister, das auch die Bundesregierung einbezieht. Bartke findet das seltsam. Denn es entstünden „mehr als 80 Prozent der Gesetze auf Initiative der Bundesregierung.“
Seit mehr als 15 Jahren wird in der Politik über eine bessere Kontrolle diskutiert.