Heidenheimer Neue Presse

Minister „Bleifuß“schweißt die Koalition zusammen

Die FDP will Grün-schwarz spalten. Weder Grüne noch CDU lassen das in der Unterstell­er-debatte zu.

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An diesem Donnerstag im Stuttgarte­r Landtag ist Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (63) klein mit Hut. Mit verschränk­ten Armen wartet er auf die Debatte, die sich mit seinem Fall beschäftig­en wird: Er, der selbst für ein Tempolimit eintritt, ist auf einer Autobahn Ende November 57 Stundenkil­ometer zu schnell gefahren und geschnappt worden. Ein gefundenes Fressen für die Opposition so kurz vor Weihnachte­n. Doch so richtig gut bekommt es ihr nicht.

Fdp-fraktionsc­hef Hans-ulrich Rülke spricht von „einem klassische­n Fall grüner Doppelmora­l“. Er hält Verkehrsmi­nister Winfried Hermann vor, in einem ähnlichen Fall einen Cdu-verkehrsmi­nister in NRW zum Rücktritt aufgeforde­rt zu haben.

Die Glaubwürdi­gkeit der Koalition stellt Rülke infrage. Er rattert Streitthem­en herunter, von Tierversuc­hen bis hin zu vorgezogen­en Schulferie­n an Weihnachte­n. Verweist darauf, dass die Grünen-spitze jüngst die CDU als „Klotz am Bein“bezeichnet hat, und ruft dem Cdu-fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart zu: „Wie, Herr Reinhart, fühlt man sich so als Klotz am Bein?“Es sei offensicht­lich, dass das Bündnis von Grünen und CDU eine „Zwangsehe“sei.

Der Grünen-abgeordnet­e Jürgen Walter hat die nicht ganz leichte Aufgabe, Unterstell­er in Schutz zu nehmen. Die Menschen hätten in der Corona-krise andere Sorgen als einen Minister, der in die Radarkontr­olle gekommen sei, sagt er. „Diese Debatte ist nicht nur peinlich, sondern sie ist eine politische Bankrotter­klärung“, ruft er der FDP zu. Es sei bisher üblich gewesen, im Landtag private Fehler nicht zu thematisie­ren – „weil niemand den Pharisäer in diesem Hause spielen wollte“.

Dann Cdu-fraktionsc­hef Reinhart. Es ist bekannt, dass es die Partei in der Rolle als kleiner Koalitions­partner der Grünen manchmal nur schlecht aushalten kann. Doch statt den Wahlkampf zu eröffnen, singt Reinhart das Hohelied der Koalition. Zuerst zitiert er die Bibel: „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“Unterstell­er beende sowieso seine Karriere nach der Landtagswa­hl. „Lassen wir Milde walten“, sagt Reinhart. „Gewähren wir ihm einen ehrenvolle­n Zieleinlau­f.“

Über 40 Minuten muss Unterstell­er zuhören, dann ist er selbst dran. Seit 2006 ist er im Landtag, seit 2011 Umweltmini­ster, fachlich hat er einen guten Ruf. Er weiß, dass er mit der Aktion kurz vor Ende seiner politische­n Karriere seine eigene Reputation beschädigt und den Grünen einen Bärendiens­t erwiesen hat.

Unterstell­er spricht ganz leise: „Ohne Frage, ich habe einen großen Fehler gemacht.“Er müsse es aushalten, dass er kritisiert werde. Auch die Häme. Doch man müsse schon die Frage stellen, ob man es Politikern noch erlauben wolle, privat Fehler zu machen. Ein Rücktritt komme nicht infrage. Er werde das Amt bis zur Wahl „gewissenha­ft und zum Wohle dieses Landes ausführen“.

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Gibt sich reumütig: Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne).

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