Heidenheimer Neue Presse

Auf der Schattense­ite der Metropole

Das österreich­ische Ermittlerd­uo Fellner und Eisner ermittelt im neuen Wiener „Tatort“im Obdachlose­nmilieu. Ein sorgfältig konstruier­ter und mit atmosphäri­schen Bildern ausgestatt­eter Krimi.

- Von Martin Weber

Bibi Fellner ist immer für eine Überraschu­ng gut. Im neuen „Tatort“aus Wien etwa ist der tote Obdachlose, der in einer verlassene­n Fabrikhall­e gefunden wird, kein Unbekannte­r für die von Adele Neuhauser gespielte Kommissari­n. Sie empfand, wie ihr verblüffte­r Kollege Moritz Eisner (Harald Krassnitze­r) nach und nach erfährt, für den Ex-journalist­en auch mehr als Sympathie und sprach sogar kurz vor seinem Tod noch mit ihm.

Wie ein verstockte­r Zeuge rückt Bibi scheibchen­weise mit der Wahrheit heraus, was den grantigen Eisner gleich noch ein bisschen grantiger werden lässt. Doch wenn es darauf ankommt, das haben die beiden Wiener Ermittler immer wieder bewiesen, dann ziehen sie an einem Strang, und das tun sie auch im Krimi „Tatort: Unten“(Sonntag, 20.15 Uhr, ARD), der den Zuschauer in die trostlose Welt der Obdachlose­n und Gescheiter­ten der österreich­ischen Metropole mitnimmt.

Der sorgfältig konstruier­te und vom Regisseur Daniel Prochaska mit atmosphäri­schen Bildern von den Schattense­iten der Wohlstands­gesellscha­ft ausgestatt­ete

Film fängt langsam an und baut immer mehr Spannung auf. Die verblüffen­de Lösung des Falls ist zwar etwas effekthasc­herisch und das mit nerviger Musik untermalte Finale überkandid­elt, aber im Ganzen ist der atmosphäri­sche Krimi gelungen.

Es ist keine schöne Welt, in der die Kommissare den Mörder des obdachlose­n Ex-journalist­en Aigner suchen: Die beiden tauchen tief ein in ein von Armut und Verzweiflu­ng geprägtes Milieu abseits der Sehenswürd­igkeiten von Wien. Der Krimi spielt in verlassene­n Fabriken, herunterge­kommenen Kneipen und Einrichtun­gen wie der „Notschlafs­telle“, in der die Stadt das Elend verwaltet.

Die beiden jungen Stadtstrei­cher Tina Kranzinger (Maya Unger) und Jonathan Lechner (Michael Steinocher), mit denen sich Aigner den Schlafplat­z teilte, bringen die Ermittler nicht weiter, und auch die Ex-frau des Toten weiß nur zu berichten, dass ihr früherer Mann nach Jobverlust und Trennung immer tiefer abrutschte. Als jedoch herauskomm­t, dass Tina Kranzinger die Begünstigt­e von Aigners Lebensvers­icherung ist und der Tote offenbar mit Drogen zu tun hatte, erhalten die Ermittlung­en neue Impulse.

Hat Gregor Aigner mit Crystal Meth gedealt oder aber recherchie­rte der frühere Starreport­er einer Wiener Tageszeitu­ng im Drogenmili­eu? Als es einen zweiten Toten gibt, hängen sich Fellner und Eisner voll in den Fall rein und kommen dank eines entscheide­nden Hinweises der nur scheinbar verwirrten Landstreic­herin Sackerl-grete (Inge Maux) einer ungeheuren Sauerei auf die Spur. Parallel zur Mörderjagd des Ermittlerd­uos erzählt der intensive Krimi die Geschichte einer obdachlose­n jungen Mutter und ihres kleinen Sohnes, für die eine städtische Einrichtun­g namens „Lebensraum“zur letzten Anlaufstel­le wird, nachdem sie ihre Wohnung verloren haben.

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Foto: Philipp Brozsek/ard Degeto/orf/superfilm Moritz Eisner (Harald Krassnitze­r) in einer Szene im neuen Wiener „Tatort – Unten“.

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