Abschieds-lüften
Von wegen lull und lall. Das neue A und und O sind „lol“und „LAL“, auch und gerade in der Weihnachtszeit. Das „lol“, fragen Sie den nächstbesten Zwölfjährigen, steht für „laut lachen“, das „LAL“für die „Lust am Lüften“, die freilich hierzulande schon vor Corona stärker ausgeprägt war als irgendwo sonst auf der Welt. Während man anderenorts allenfalls ab und zu ein Fenster kippt, wird die Maßnahme Frischluftzufuhr bei uns regelmäßig und systematisch vollzogen, gerne stoß- und querweise. „Gegenüberliegende Fenster“zwecks totalem Luftaustausch sind beim Immobilienerwerb ein mindestens ebenso wichtiges Kriterium wie Südsonne und Gäste-wc.
Inzwischen allerdings hat das Lüften eine gleichsam spirituelle Bedeutung erlangt. Längst geht es nicht mehr nur darum, dass unverzüglich viraler Mief austritt. Schleunigst abdampfen sollen auch Kummer, Verzweiflung und Co. All diesen negativen Gefühlen soll man, so empfiehlt es zumindest die österreichische Schriftstellerin Eva Menasse, „beim Stoßlüften das Fenster aufhalten“und sich dazu „freundlich-verabschiedend verbeugen“. Falls es nicht auf Anhieb klappt: „Einfach nochmal das Fenster öffnen!“
Das ist der Überlebenstipp dieses horriblen Jahres schlechthin: bei Widrigkeiten aller Art einfach fröhlich auf Durchzug schalten. Uns zum Abschied freundlich verneigend, fangen wir auf der Stelle damit an.