Heidenheimer Neue Presse

So lief das Corona-jahr für den Musikverei­n

Der Tod gehört zum Leben dazu. Für Bestatter Karl-otto Leibersber­ger ist er Berufsallt­ag. Dieser hat sich seit der Pandemie jedoch drastisch verändert.

- Von Melanie Schiele

Bereits im März war die Saison für den Musikverei­n Herbrechti­ngen/ Bolheim gelaufen. Selbst das Proben fiel schwer.

Karl-otto Leibersber­ger war es gewohnt, den Angehörige­n zu Beginn eines Trauergesp­rächs sein Beileid mit einem festen Händedruck und einem aufmuntern­den Lächeln zu bekunden. Seit Corona muss der Bestatter die Hinterblie­benen mit Maske und Abstand empfangen. Eine Plexiglass­cheibe auf dem Schreibtis­ch seines Büros trennt Leibersber­ger von den Angehörige­n, während sie die Trauerfeie­r und die Beisetzung des Verstorben­en besprechen. Anfang des Jahres noch konnten diese Beratungsg­espräche gerade bei Großfamili­en schon mal mit acht, zehn Personen geführt werden, heute in Zeiten der Pandemie dürfen maximal drei kommen.

„Diese Maßnahmen können kalt und distanzier­t wirken, müssen jedoch für die Sicherheit der Angehörige­n und der eigenen eingehalte­n werden“, erklärt Karl-otto Leibersber­ger, der das gleichnami­ge Bestattung­sinstitut in Giengen seit 1988 führt. Seine Kunden würden dafür Verständni­s zeigen, manche von ihnen seien sogar noch vorsichtig­er und würden um eine Beratung am Telefon und via E-mail bitten. „Das macht die Kommunikat­ion zwar etwas aufwendige­r, aber es ist immerhin eine Alternativ­e – auch für diejenigen, die sich in Quarantäne befinden und nicht persönlich bei uns erscheinen können.“

Systemrele­vant seit Frühjahr

Dass Leibersber­ger seinen Beruf, der in Baden-württember­g seit dem Frühjahr als systemrele­vant anerkannt ist, nicht mehr vollumfäng­lich ausüben kann, belastet ihn. Der Grund: „Ich kann Trost nur noch verbal spenden und nicht mehr alle Leistungen anbieten, die sich die Hinterblie­benen vorstellen oder sich der Verstorben­e gewünscht hat.“Der Bestatter ist bei der Organisati­on und Gestaltung von Trauerfeie­rn stark eingeschrä­nkt. Die Teilnehmer­zahl der Trauergese­llschaft ist begrenzt und richtet sich nach der Größe der Aussegnung­shalle. Auf dem Heidenheim­er Waldfriedh­of dürften laut Leibersber­ger 40 Personen hinein, in Giengen sind 34 zulässig. Alle weiteren Trauergäst­e, maximal jedoch 100 Personen insgesamt, müssen sich draußen aufhalten. Sowohl drinnen als auch im Freien gilt die Maskenpfli­cht.

Bei der Auswahl von Musik fallen Gemeindege­sang und Chöre weg. Beim Singen, das laut Leibersber­ger viele tröstend empfinden, sollen Aerosole weiter fliegen als beim Sprechen oder Atmen. Diese kleinsten Tröpfchen sollen das Coronaviru­s tragen. „Deshalb ist im Moment nur Instrument­almusik und das Abspielen von Liedern über CD oder ähnliches möglich.“Strengere Vorgaben bei den Trauerfeie­rn gelten, wenn der Verstorben­e mit dem Coronaviru­s infiziert ist.

Abschied am offenen Sarg?

„Ein Abschied am offenen Sarg ist dann nicht erlaubt.“Inzwischen darf der Sarg aufgebahrt werden, wenn dieser speziell versiegelt und der Körper in einer Schutzhüll­e eingeschlo­ssen ist. „Nur so kann das Virus nicht nach außen dringen.“Die weit verbreitet­e Annahme, dass ein mit dem Coronaviru­s infizierte­r Leichnam sofort verbrannt und eingeäsche­rt werden muss, ist demnach falsch, so Leibersber­ger. „Alle Bestattung­sformen sind möglich.“

Bei einem Corona-toten gilt es, bestimmte Schutzmaßn­ahmen zu treffen. „Das erste, was ein Bestatter daher zur Hand nehmen sollte, ist den Totenschei­n – noch bevor man eine Abholung macht.“

Dieses Dokument wird vom Arzt ausgestell­t, wenn er bei einem Menschen den Tod feststellt. Daraus ist ersichtlic­h, ob eine Infektions­gefahr besteht. Ist dies der Fall, muss der Bestatter in Schutzklei­dung kommen, den Toten desinfizie­ren, in Tücher einwickeln und in eine hermetisch abgeschlos­sene Schutzhüll­e, den sogenannte­n Bodybag, einpacken. „Wie jemand hygienisch versorgt werden muss, der infektiös ist, wird vom Bundesseuc­hengesetz beziehungs­weise Gesundheit­samt vorgeschri­eben.“

Acht Mal musste Leibersber­ger nach diesem Vorgehen handeln. Angesichts von knapp 100 Corona-todesfälle­n im Kreis Heidenheim sei sein Bestattung­sinstitut „vergleichs­weise glimpflich davongekom­men“.

Höheres Arbeitsauf­kommen

Dennoch hat der Bestatter derzeit ein höheres Arbeitsauf­kommen zu bewältigen. Ob dies rein auf Corona zurückzufü­hren sei, wisse er nicht. „Es gibt Zeiten erhöhter Sterblichk­eit. Die Totengräbe­r in früheren Zeiten haben gesagt: ‚Wenn’s Laub kommt, wenn’s Laub geht‘. Die moderne Medizin hat dies etwas ausgeglich­en, beobachten kann man es aber nach wie vor.“

Auch in der Corona-pandemie setzt der 61-Jährige alles daran, Angehörige­n einen würdevolle­n Abschied von einem geliebten Menschen zu bereiten. „Nur das kann bei der Trauervera­rbeitung helfen.“

 ?? Foto: Rudi Penk ?? Trauergesp­räche erfordern von Bestatter Karl-otto Leibersber­ger ein hohes Maß an Fingerspit­zengefühl. Erschwert wird dies durch Corona-maßnahmen, die sowohl eine körperlich­e als auch eine emotionale Distanz erzeugen können.
Foto: Rudi Penk Trauergesp­räche erfordern von Bestatter Karl-otto Leibersber­ger ein hohes Maß an Fingerspit­zengefühl. Erschwert wird dies durch Corona-maßnahmen, die sowohl eine körperlich­e als auch eine emotionale Distanz erzeugen können.

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