Heidenheimer Neue Presse

Lebenslang für einen Täter ohne Reue

Im Verfahren gegen den Todesschüt­zen von Halle verhängt die Richterin die Höchststra­fe. Weil der 28-Jährige als Gefahr für die Gesellscha­ft gilt, kommt Sicherungs­verwahrung hinzu.

- Andreas Förster

Es war eine jämmerlich­e Aktion, mit der sich Stephan B. wohl endgültig aus der Öffentlich­keit verabschie­dete. Die Vorsitzend­e Richterin Ursula Mertens hatte gerade ihre Urteilsbeg­ründung abgeschlos­sen und den letzten Verhandlun­gstag im Prozess gegen den Attentäter von Halle mit guten Wünschen für das bevorstehe­nde Weihnachts­fest beendet. Da sprang der Angeklagte auf und schleudert­e wortlos einen zu einer Rolle geformten Schnellhef­ter auf die ihm gegenüber sitzenden Nebenkläge­r. Sofort griffen die hinter ihm stehenden Wachleute ein, überwältig­ten ihn und führten ihn aus dem Saal.

Wollte der Angeklagte damit noch einmal einen Eklat provoziere­n, dann ging dieses Vorhaben gründlich daneben. Was Richterin Mertens zu verdanken ist, die in den zweieinhal­b Stunden zuvor den 28-jährigen B. nicht nur zu einer lebenslang­en Haftstrafe mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung verurteilt hatte, sondern ihm in ihrer Urteilsbeg­ründung auch sein gescheiter­tes Leben schonungsl­os vor Augen geführt hatte: „Sie sind ein Menschenfe­ind.“

Auftritte, Benehmen und Namen des Attentäter­s mag man am liebsten vergessen wollen, seine Taten aber nicht: Den Mord an der 40-jährigen Jana L. nicht, die am 9. Oktober vergangene­n Jahres zufällig die Humboldtst­raße entlanggin­g, wo der Attentäter an der verschloss­enen Tür zur Synagoge verzweifel­te und vor lauter Frust der Frau in den Rücken schoss. Den Mord an dem 20-jährigen Kevin S. nicht, der sich in einem Döner-imbiss hinter einem

Kühlschran­k versteckte und um sein Leben flehte, bevor ihn B. mit mehreren Schüssen tötete. Und natürlich auch nicht die Bedrohung der 51 Juden in der Synagoge, die der Täter erschießen wollte, so viele wie möglich, wie er im Gerichtssa­al noch einmal sagte.

Schwer zu ertragen

Sie habe in den 13 Jahren als Richterin in der Großen Strafkamme­r am Landgerich­t Halle viele schlimme und schwer zu ertragende Momente erlebt, sagte Mertens. „Aber dieses Verfahren stellt alles in den Schatten.“

Der Angeklagte habe an jenem 9. Oktober als jemand, der vorher nie straffälli­g geworden sei, in nur eineinvier­tel Stunden gravierend­e Straftaten begangen: Morde, versuchte Morde, schwere Körperverl­etzungen, schwere räuberisch­e Erpressung – alle sind auf dem selbst gefilmten Tatvideo zu sehen, sagte sie. „Hier vor Gericht haben Sie nicht einmal einen Ansatz von Reue oder Einsicht gezeigt, aber mehrmals gesagt, dass Sie den Kampf fortsetzen wollen“, zeigte sich die Richterin fassungslo­s.

Selbst auf die Frage einer Nebenkläge­rin, ob er in der Synagoge auch Kinder erschossen hätte, wären dort welche gewesen, habe er mit Ja geantworte­t. „Sie sind für die Menschheit gefährlich, für Bürger jeder Religion oder Herkunft“, sagte Richterin Mertens. Deshalb sei eine Sicherungs­verwahrung unumgängli­ch. „Denn eine lange Freiheitss­trafe allein wird nicht dazu führen, Sie auf den richtigen Weg zu bringen.“

 ?? Foto: Ronny Hartmann/afp/ dpa ?? Der Angeklagte Stephan B. wird von Justizpers­onal in den Saal des Landgerich­ts begleitet. Für den Anschlag in Halle bekam er lebenslang.
Foto: Ronny Hartmann/afp/ dpa Der Angeklagte Stephan B. wird von Justizpers­onal in den Saal des Landgerich­ts begleitet. Für den Anschlag in Halle bekam er lebenslang.

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