Heidenheimer Neue Presse

Anruf bei den Attentäter­n

Der Anschlag auf den Opposition­ellen Alexej Nawalny bringt den russischen Geheimdien­st FSB in Erklärungs­nöte.

- Stefan Kegel

Als sich am vergangene­n Donnerstag der russische Präsident Wladimir Putin über die Vergiftung des Opposition­spolitiker­s Alexej Nawalny lustig machte, dürfte ihm nicht klar gewesen sein, dass ihm wenige Tage später eine Peinlichke­it bevorstehe­n würde, die den Geheimdien­st FSB in ganz schlechtem Licht dastehen lässt.

„Wenn man das gewollt hätte, dann hätte man es auch zu Ende geführt“, sagte Putin über die Vergiftung Nawalnys mit dem Nervenkamp­fgift Nowitschok. Überdies sei das alles nur ein Komplott der Us-geheimdien­ste.

In der Zwischenze­it hatte ein Recherchev­erbund die Namen der Fsb-agenten enthüllt, von denen Nawalny mutmaßlich vergiftet und beinahe ums Leben gebracht worden war. Mitarbeite­r der Investigat­ivplattfor­men Bellingcat und The Insider, vom Us-fernsehsen­der CNN und dem

Magazin „Spiegel“hatten die Bewegungen von acht Spionen anhand von Mobilfunkv­erbindunge­n, GPS- und Standortda­ten sowie der Auswertung von Passagierl­isten russischer Linienflüg­e nachvollzi­ehen können und Nawalny die Namen übergeben.

Gift in der Unterhose

Kurzerhand rief er einige der Agenten an und schnitt die Telefonate mit, wie der „Spiegel“berichtet. Gegenüber einem von ihnen – dem Chemieexpe­rten Konstantin K. – gab er sich als Berater des Sicherheit­srats-sekretärs und Ex-fsb-chefs Nikolaj Patruschew aus und erweckte den Anschein, Details über das Scheitern des Giftanschl­ag herausfind­en zu müssen. Mit K. telefonier­te Nawalny 49 Minuten lang und stellte das Telefonat auf Youtube online.

Der Angerufene schilderte die Operation in zahlreiche­n Details und gab demnach in dem Telefonat auch die Identität zweier weiterer Agenten preis, die Nawalny beschattet hatten. Er offenbarte zudem, wie Nawalny in der Nacht vom 19. zum 20. August in einem Hotel der russischen Stadt Tomsk vergiftet wurde: Laut „Spiegel“wurde das Nervengift an der Innenseite seiner Unterhose verteilt.

Der Anschlag wäre geglückt, wenn sich auf dem Flug von Tomsk nach Moskau der Pilot nicht wegen des vor Schmerzen schreiende­n Nawalny zu einer Notlandung entschloss­en hätte. Im Omsker Krankenhau­s wurde Nawalny dann das Gegenmitte­l Atropin verabreich­t. Wenige Tage später durfte er zur Weiterbeha­ndlung nach Deutschlan­d ausreisen, wo er sich nach Angaben des „Spiegel“bis heute zur Rehabilita­tion aufhält. Die Beziehunge­n zu Deutschlan­d belastete der Vorfall schwer.

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