Anruf bei den Attentätern
Der Anschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny bringt den russischen Geheimdienst FSB in Erklärungsnöte.
Als sich am vergangenen Donnerstag der russische Präsident Wladimir Putin über die Vergiftung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny lustig machte, dürfte ihm nicht klar gewesen sein, dass ihm wenige Tage später eine Peinlichkeit bevorstehen würde, die den Geheimdienst FSB in ganz schlechtem Licht dastehen lässt.
„Wenn man das gewollt hätte, dann hätte man es auch zu Ende geführt“, sagte Putin über die Vergiftung Nawalnys mit dem Nervenkampfgift Nowitschok. Überdies sei das alles nur ein Komplott der Us-geheimdienste.
In der Zwischenzeit hatte ein Rechercheverbund die Namen der Fsb-agenten enthüllt, von denen Nawalny mutmaßlich vergiftet und beinahe ums Leben gebracht worden war. Mitarbeiter der Investigativplattformen Bellingcat und The Insider, vom Us-fernsehsender CNN und dem
Magazin „Spiegel“hatten die Bewegungen von acht Spionen anhand von Mobilfunkverbindungen, GPS- und Standortdaten sowie der Auswertung von Passagierlisten russischer Linienflüge nachvollziehen können und Nawalny die Namen übergeben.
Gift in der Unterhose
Kurzerhand rief er einige der Agenten an und schnitt die Telefonate mit, wie der „Spiegel“berichtet. Gegenüber einem von ihnen – dem Chemieexperten Konstantin K. – gab er sich als Berater des Sicherheitsrats-sekretärs und Ex-fsb-chefs Nikolaj Patruschew aus und erweckte den Anschein, Details über das Scheitern des Giftanschlag herausfinden zu müssen. Mit K. telefonierte Nawalny 49 Minuten lang und stellte das Telefonat auf Youtube online.
Der Angerufene schilderte die Operation in zahlreichen Details und gab demnach in dem Telefonat auch die Identität zweier weiterer Agenten preis, die Nawalny beschattet hatten. Er offenbarte zudem, wie Nawalny in der Nacht vom 19. zum 20. August in einem Hotel der russischen Stadt Tomsk vergiftet wurde: Laut „Spiegel“wurde das Nervengift an der Innenseite seiner Unterhose verteilt.
Der Anschlag wäre geglückt, wenn sich auf dem Flug von Tomsk nach Moskau der Pilot nicht wegen des vor Schmerzen schreienden Nawalny zu einer Notlandung entschlossen hätte. Im Omsker Krankenhaus wurde Nawalny dann das Gegenmittel Atropin verabreicht. Wenige Tage später durfte er zur Weiterbehandlung nach Deutschland ausreisen, wo er sich nach Angaben des „Spiegel“bis heute zur Rehabilitation aufhält. Die Beziehungen zu Deutschland belastete der Vorfall schwer.