Heidenheimer Neue Presse

Auch die Räder dürfen Weihnachte­n feiern

Während der Rennsaison ist Markus Westhäuser kaum zu bremsen und immer draußen auf dem Fahrrad unterwegs. Wie sieht das um die Weihnachts­zeit aus?

- Von Nadine Rau

Wie verbringt Radfahrer Markus Westhäuser die Zeit im Winter? Von veränderte­m Training und Fahrrädern im Wohnzimmer.

Man könnte meinen, Markus Westhäuser besitzt so eine richtige Schrauberw­erkstatt. In der alle seine Fahrräder stehen, in der sie gereinigt werden, die Teile auseinande­r- und wieder zusammenge­baut werden. In der schon mal am Grundgerüs­t für all die Erfolge auf der Rennstreck­e gearbeitet wird. „Aber ich habe so etwas gar nicht, das ist das Problem“, sagt Westhäuser lachend.

Und so stehen seine fünf Räder während der Saison im Keller und jetzt, in der Winterzeit, im Wohnzimmer. Warum auch nicht? Schön anzusehen sind sie allemal, und auch Westhäuser­s Frau hat kein Problem damit.

Der Radfahrer aus Küpfendorf besitzt mittlerwei­le überschaub­are fünf Fahrräder. „Ich habe mich von allem getrennt, was ich doppelt hatte. Jetzt muss nur noch das E-bike weg, das hat sich einfach nicht gelohnt“, sagt er. Zwar sei er an schönen Tagen schon mal damit rausgefahr­en, ins Filstal zum Beispiel, aber 1500 Kilometer in zwei Jahren? Für ihn zu wenig, um dafür ein extra Fahrrad zu besitzen.

Eine Zeit ganz ohne Rad

Für den 48-Jährigen ist gerade im Moment die Zeit, in der er komplett aufs Radfahren verzichtet. Eigentlich. „Normalerwe­ise mache ich von November bis Weihnachte­n gar nichts, dann benutze ich das Rad höchstens als Fortbewegu­ngsmittel“, erzählt er. Aber wie das so ist, wenn sie nun mal da stehen . . .

Deshalb verreist der Küpfendörf­er normalerwe­ise jedes Jahr für den gesamten November auf die Seychellen. Na ja, normalerwe­ise. Bis zum 3. Oktober hat er abgewartet, den Urlaub dann aber doch abgesagt. Rein theoretisc­h, so berichtet er, wäre es möglich gewesen. Aber die vielen Tests, die damit verbundene­n Extrakoste­n, die knappen Zeitfenste­r zwischen Testergebn­issen und Flugzeiten – das war alles zu umständlic­h und zu riskant. „Wahrschein­lich wäre es ein Traum gewesen. Im Internet mit der Webcam sieht man, dass dort gar nichts los ist. Aber es gibt Schlimmere­s“, so Westhäuser, der in diesen vier Wochen normalerwe­ise alles nachholt, was er während der Saison verpasst. Einfach leben, sagt er, ohne irgendwelc­he Verpflicht­ungen. In einer kleinen Wohnung in einem Ferienhaus und mit viel Zeit, um draußen zu sein.

Sieben Mal war er schon auf den Seychellen, auf die Idee kam er über einen Arbeitskol­legen. Davor war es oft die Karibik, auch mal Thailand. Nächstes Jahr wird es wohl eher der Gardasee oder Lanzarote. „Ich müsste den Flug für November schon im Januar buchen. Dieses Mal aber lasse ich es und plane gleich um.“

Ein neues Mountainbi­ke

So musste der Radsportle­r auch dieses Jahr drei Wochen Urlaub hier verbringen. „Leider“, scherzt er. Bei Nebel und ohne geöffnete Restaurant­s doch ein bisschen öde. Und so ist es ja fast klar, dass er sich doch vermehrt seinen Rädern gewidmet hat. Noch dazu, weil ein ganz neues darunter ist.

Ein Mountainbi­ke, rot metallic, Marke Specialize­d, elektronis­che Schaltung. Im Moment kümmert er sich um die letzten fehlenden Teile, die im besten Fall so leicht wie möglich sein sollen – um beim Rennen noch mal ein bisschen etwas an Zeit zu gewinnen.

Aber: je leichter, desto teurer. „Mittlerwei­le muss ich sagen, dass ich mir das gönne. Das ist mein Arbeitsger­ät und vor allem habe ich jeden Tag riesige Freude daran.“Selbst dann, wenn er es nicht fahren kann. „Ich schaue es auch einfach nur gern an.“Nächstes Jahr aber, so die Hoffnung, will er damit schon über die Ziellinien fahren – schließlic­h gibt es Titel zu verteidige­n. Die deutsche Marathon-meistersch­aft im Mountainbi­ke zum Beispiel, die er sogar im Corona-jahr sichern konnte, ebenso die deutsche Bergmeiste­rschaft oder die deutsche Meistersch­aft im Straßenren­nen. „Beim Mountainbi­ke dürfte ich die zehn Titel vollmachen“, überlegt er. Mit dem Rennrad indes könnte er noch gar nicht annähernd so weit sein, hat er damit doch viel später mit den Rennen angefangen. Weil er nie einen passenden Helfer gefunden hatte, schob er das lange auf, ging dann aber irgendwann, „ganz unbedarft“, ohne Helfer an den Start. „Das war lustig. Die Rennradfah­rer tragen die Nase ein wenig höher, die kommen mit Mountainbi­kern nicht so klar“, erzählt Westhäuser. Zugetraut hatte ihm den Titel keiner, geklappt hat es trotzdem.

Westhäuser weiß sich einfach durchzubei­ßen. Und sich selbst einzuschät­zen. So berichtet er von vielen Radkollege­n, die auch jetzt im Keller wie wild Kilometer abspulen, am Ende meist aber keine bessere Leistung abliefern.

Westhäuser setzt in der Winterzeit mehr darauf, ins Fitnessstu­dio zu gehen, um an seiner Beweglichk­eit zu arbeiten. Vor allem wichtig sind dann die Partien, die sonst beim Radfahrtra­ining zu kurz kommen.

„Manchmal waren meine Beine im Herbst noch richtig gut, aber meine Arme sind mir auf dem Lenker eingeschla­fen“, verdeutlic­ht er den Unterschie­d.

Erst im Januar holt Westhäuser für gewöhnlich sein Rad wieder raus, fährt ab und an damit in die Arbeit. Glatteis ist dank Spikes kein Problem, selbst dem Waldboden kann er bei schlechtem Wetter etwas Gutes abgewinnen, weil dann die Reaktionsz­eit gefördert wird. Nur richtig lange Touren, die verkneift er sich am Anfang des Jahres.

Bis es wieder so richtig losgehen kann, bleibt also noch ein bisschen Zeit. Und genug Ruhe, um besinnlich mit der Familie und den Fahrrädern Weihnachte­n zu feiern.

Ich schaue es auch einfach nur gern an.

Markus Westhäuser

über sein Fahrrad

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Fotos: privat Im Winter darf alles in die gute Stube: Markus Westhäuser in seinem Wohnzimmer.
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Ein letzter Check, dann kann es losgehen: Westhäuser in seinem Keller, im Hintergrun­d seine Startnumme­rn.

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