Bilder von der Pflegefront
Normalerweise reist er nach Afghanistan, Mali oder in den Irak. Im April hat der Fotograf Johannes Müller Bilder im Heidenheimer Klinikum gemacht.
Wenn Leben in Not gerät, will Johannes Müller mit der Kamera dabei sein. Nicht als Voyeur, sondern um die Wirklichkeit ungeschönt zu dokumentieren. „Es geht mir darum, mit meinen Bildern Respekt und Empathie zu wecken“, sagt der 45-Jährige. Der Diplom-marketingwirt arbeitet als stellvertretender Leiter der Firmenkommunikation bei BSH in München. Nebenberuflich ist er Kriegs- und Krisenfotograf, war schon in Afghanistan, Kurdistan, dem Irak und in Mali.
Im April führte ihn ein Auftrag ins Heidenheimer Klinikum. Dort war nicht Krieg, sondern Corona. Seine Bilder entstanden auf der Infektionsstation, zeigen Pflegerinnen und Pfleger in Schutzkleidung. Wie bei seinen Fotografien aus Krisengebieten stehen die Menschen im Fokus, Johannes Müller kommt ihnen ganz nahe, man sieht die Erschöpfung, aber auch das Engagement, mit dem die Pflegekräfte in dieser ungewöhnlichen Situation arbeiten.
Familiäre Verbindungen
Entstanden ist die Idee für die Bilder schon vor der Corona-krise. Auftraggeber war die Firma Hartmann. Hygiene und Desinfektion ist in Kliniken ein Dauerthema und für Hartmann ein wichtiges
Geschäftsfeld. „Infection Warriors“(Infektionskrieger) nannte David Nelles, Experte für digitale Kommunikation bei Hartmann, die Kampagne. Und als Fotograf engagierte er Johannes Müller, der nicht nur Erfahrung mit Krisensituationen hat, sondern auch familiäre Verbindungen nach Heidenheim: Seine Großmutter Erna Eichele war Anästhesieschwester im Heidenheimer Krankenhaus, seine Mutter als junge Ärztin im Praktikum auf dem Schlossberg tätig.
Respekt vor der Pflege
„Pflegekräfte, genauso wie Soldaten, stehen an Frontlinien, um Gefahren zu bekämpfen“, sagt David Nelles. Als Kriegs- und Konflikt-fotograf könne Johannes Müller in Situationen eintauchen, ohne aufzufallen. „So fängt er ehrliche Situationen und Emotionen direkt ein – denn die Arbeit von Pflegekräften ist heute wichtiger denn je“,
Auch Johannes Müller erkennt Parallelen: „Ich will zeigen, wie Menschen agieren, um Leben zu retten“, sagt er. Im Hinterkopf hat er dabei auch, wie hart der Klinikalltag sein kann. Er habe sehr großen Respekt davor, was in Kliniken geleistet wird, sagt Müller. „Wir haben in Deutschland einen Systemfehler, was die Bezahlung in Krankenhäusern angeht“, meint er. Zu finden sind die Fotos, die Müller außerdem auch in einem Krankenhaus in Brünn gemacht hat, auf der Hartmannhomepage.
Johannes Müller hat schon als Jugendlicher angefangen zu fotografieren. Im Gemeinschaftskunde-unterricht wurde sein Interesse an aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen geweckt. Vor zehn Jahren sei erstmals der Wunsch entstanden, in einem Kriegsgebiet zu fotografieren.
so
der
Hartmann-mitarbeiter.
Müller nahm Kontakt zur Bundeswehr auf mit der Bitte, beim Auslandseinsatz in Afghanistan Bilder machen zu dürfen. Im Mai 2011 konnte er eine Woche lang „embedded“, also eingebunden in die Bundeswehr, mit den Soldaten unterwegs sein.
Auch wenn es bei dieser ersten Reise in ein Krisengebiet keine Front und offene Kämpfe gab, sei die Gefahr in Form von Sprengstoffattentätern und Sprengfallen die ganze Zeit präsent gewesen, erzählt Müller. „Es kann immer etwas passieren, deshalb sollte man sich nie sicher fühlen“, sagt der Münchner. Seit der Reise nach Afghanistan war Müller auch mit der Nato, der Us-armee, Un-blauhelmen oder auf eigene Faust unterwegs und hat Tausende von Bildern gemacht.
Es geht mir darum, mit meinen Bildern Respekt und Empathie zu wecken. Johannes Müller,
Emotional belastend
In Konkurrenz treten zu Journalisten will Müller mit seiner Arbeit nicht. „Ich verkaufe meine Bilder nicht an Medien, sondern versuche, NGOS vor Ort zu unterstützen“, sagt er. Mehr als einige Wochen pro Jahr will er die Arbeit auch nicht machen, dafür ist ihm die emotionale Belastung zu hoch: „Ich möchte nicht zerbrechen oder abstumpfen“, sagt er. Sein Wunsch, den Blick auf die Menschen in Krisengebieten zu lenken, sei über die Jahre immer stärker geworden, so der Fotograf. Ein Grund dafür sei die zynische Flüchtlingsdebatte gewesen, sagt er. „Wir sind uns gar nicht bewusst, wie privilegiert wir leben“, meint der Fotograf.
er
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