Heidenheimer Neue Presse

Fabio Andina: Tage mit Felice (Folge 65)

- Fortsetzun­g folgt © Edition Blau im Rotpunktve­rlag

als könnten wir die beiden Mopeds immer noch hören, aber was wir wahrnehmen, ist nur noch die Erinnerung an ihren Radau.

Die Kälber von Kevin mit ihren Glöckchen beobachten uns mit neugierige­n Augen, wahren aber einen gewissen Abstand. Te’, te’, macht Felice. Eines kommt ein paar Schritte auf uns zu. Vielleicht ist es dasselbe, das mit dem Maul in der Tränke stehen geblieben war.

Noch eine halbe Stunde bergauf, dann erreichen wir die letzte Kehre vor Leontica. Felice wirft einen Blick auf den Christopho­rus mit seinem hübschen Alpenveilc­hen. Das Grablicht davor ist aus, der Wind bläst es immer aus, morgen wird die Stumme es wieder anzünden.

Im Dorf trinken wir an dem

Brunnen auf dem Platz. Celso und Gilda stehen vor dem Cedrone mit einem Glas Wein in der einen Hand und einer Zigarette in der anderen.

Sie laden uns ein, etwas mit ihnen zu trinken.

Haben gerade getrunken, antwortet Felice und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. Gilda insistiert und fragt ihn mit ihren nasalen Vokalen und der vom Alkohol schleppend­en Stimme, wohin er denn bloß immer rennt, warum er nicht mal einen Augenblick stehen bleibt, um mit ihnen zu quatschen, weil in letzter Zeit kommst du mir ein bisschen wortkarg vor, du wirst uns doch nicht was verheimlic­hen, sagt sie. Doch wir sind schon weitergega­ngen und müssen Sosto mit seinem Haflinger Platz machen, der zum Fünf-uhr-melken rauf in den Stall fährt.

Am Ende der Gasse flattert Vittorina still und leicht an den Hausmauern entlang, öffnet dann ihre Tür und versteckt sich im Dunkeln ihres Heims. Ich sage zu Felice, dass ich kurz nach Hause gehe, weil mir eingefalle­n ist, dass ich noch die Autoversic­herung bezahlen muss. Er sieht mich verdutzt an.

Mit dem Computer, erkläre ich, ich gehe ins Internet und bezahle sie am Computer.

Aha, dann geh, sagt er, sonst kriegst du noch eine zweite Mahnung.

Jetzt bin ich wieder auf dem Weg zu Felice, trete ein, ohne anzuklopfe­n. Bu, machen Duska und Priska, die hinter der Tür hervorspri­ngen und dann prustend die schmale und steile Treppe hinauflauf­en, um oben zu spielen. Felice kehrt mir den Rücken zu, er ist dabei, etwas auf der Sarina zu kochen. Dem Dunst nach zu urteilen eine Minestrone, dem mangelnden Duft nach hingegen, keine Ahnung. Ich gehe hin, um nachzusehe­n. Pasta. Felice kocht Maccheroni. Die Mädchen kommen mit zwei Sätzen die Treppe herunterge­hüpft.

Felice, sagt Duska. Warum ist immer nie was in deinem Haus hier?

Felice hört auf, die Pasta umzurühren, legt die Gabel ab, denkt kurz nach und sagt dann, wisst ihr, warum? Weil ich schon so viele Jahre hier wohne.

Hm, aber dann müsste es doch voller Sachen sein, entgegnet

Priska.

Sie glaubt, du hast wenig Sachen, weil du arm bist, sagt Duska.

Felice sieht die beiden an, legt seine großen Hände auf ihre kleinen Köpfe, lächelt und rührt dann weiter die Maccheroni um.

Er kommt mit einer Handvoll Spinat aus dem Garten. Gießt die Maccheroni in ein Sieb ab, das ich vorher noch nie gesehen habe, gibt Olivenöl von Giuseppe darüber, und wir setzen uns zu Tisch. Die Zwillingss­chwestern sitzen auf zwei Stühlen, in denen ich die aus Emilios Sammelsuri­um wiedererke­nne. Priska streckt die Arme aus und nimmt die Hand ihrer Schwester und meine in ihre kleinen Fäuste. Duska nimmt Felices Hand, der wiederum meine nimmt und den Kreis schließt.

Danke, Jesus, dass du uns zu essen gibst, und danke, dass Felice so gut zu uns ist, amen.

Amen, antwortet ihre Schwester.

Gute Kinder, sagt Felice. Guten Appetit, sage ich.

Iss und sei still, rufen die Zwillinge im Chor.

Die Mädchen schwatzen miteinande­r, wollen mir aber vor allem alles Mögliche von sich erzählen, als wäre ich ein alter, gerade von einer langen Reise zurückgeke­hrter Verwandter. Felice und ich haben unsere Maccheroni aufgegesse­n und machen uns an den Spinat, die Äpfel und den Formaggell­a, während sie noch nicht mal die Hälfte geschafft haben.

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