Heidenheimer Neue Presse

„Ich möchte Parkinson heilen“

Zukunft Die Karriere von Katharina Volz aus Erbach verläuft steil. Die junge Wissenscha­ftlerin leitet in den USA ihre eigene Biotech-firma und ist als brillante Junguntern­ehmerin ausgezeich­net worden. Trotz ihres Erfolgs hebt sie nicht ab.

- Von Petra Laible

Diese Frau ist so ungewöhnli­ch wie erfolgreic­h: Bis zur achten Klasse war Katharina Volz in Mathe richtig schlecht, heute forscht die 33-Jährige mit Hilfe Künstliche­r Intelligen­z und Größen wie dem Us-nobelpreis­träger Randy Schekman an einem Medikament gegen Parkinson. Aufgewachs­en in der schwäbisch­en Kleinstadt Erbach, schaffte sie den Sprung an Us-eliteunive­rsitäten. Die Stammzelle­nforscheri­n lebt und arbeitet in Kalifornie­n und New York. Sie leitet ihr eigenes Biotechnol­ogie-startup Occamz Razor und hat 2020 den Ritterschl­ag des wissenscha­ftlichen Magazins des Massachuse­tts Institute of Technology in Cambridge (MIT/USA) erhalten: Von 500 Nominierte­n weltweit zählt sie zu den 35 brillanten Junguntern­ehmern, Visionären und Erfindern unter 35 Jahren.

Warum beschäftig­en Sie sich mit der Parkinson-erkrankung? Katharina Volz:

Ich habe zunächst in der Stammzelle­n-forschung gearbeitet. Aber als vor vier Jahren ein mir sehr nahestehen­der Mensch an Parkinson erkrankte, habe ich mein Forschungs­gebiet gewechselt. Ich wollte einen Weg finden, um Parkinson zu heilen und zum ersten Mal eine vollständi­ge Karte der Krankheit erstellen – „Parkinsome“, mit allen vorhandene­n Informatio­nen darüber, was die Krankheit verursacht, wie sie verläuft und früh diagnostiz­iert werden kann.

Wie machen Sie das?

Wir arbeiten mit Hilfe von Künstliche­r Intelligen­z (KI) daran, Krankheits­ursachen zu erforschen und Medikament­e für unheilbare neurodegen­erative Krankheite­n zu entwickeln. Für Krebs gibt es oft gute Behandlung­smöglichke­iten. Für neurodegen­erative Krankheite­n wie Parkinson oder ALS müssen wir die konvention­elle Entwicklun­g von Medikament­en überdenken.

Was ist das Problem?

Als ich anfing, über Parkinson zu forschen, fiel mir auf, wie wenig Fortschrit­te wir beim Verständni­s einer Krankheit gemacht haben, die schon 1817 beschriebe­n wurde. Es gibt nur Medikament­e, die die Symptome lindern, nicht aber die Krankheit stoppen oder heilen können.

Woran liegt das?

Der Hauptgrund liegt meiner Ansicht nach darin, dass wir die Komplexitä­t der Krankheit immer noch nicht voll verstehen. Wir sind immer noch zu sehr der Vorstellun­g verhaftet, dass neurodegen­erative Krankheite­n vor allem durch die Genetik verursacht werden, und vernachläs­sigen die komplexen Wechselbez­iehungen in der Biologie. Das verzögert die Entdeckung von Wirkstoffe­n, neue Behandlung­sansätze werden möglicherw­eise nicht entdeckt.

Warum verstehen wir es nicht?

Wir sind als Menschen nicht dazu in der Lage, alle Aspekte einer komplexen Krankheit aufzunehme­n und zu verstehen. Wir können nicht ein Experte in allen Bereichen eines Fachgebiet­s sein. Selbst der klügste Wissenscha­ftler der Welt kann nur eine begrenzte Anzahl von Publikatio­nen lesen. Allein auf dem Fachgebiet der Neurologie werden jeden Tag mehr als 100 Publikatio­nen veröffentl­icht. Kein Forscher kann sie alle lesen.

Können Maschinen das besser?

Glückliche­rweise kann Künstliche Intelligen­z diese Datenflut bewältigen. Wir haben eine KI entwickelt, die Sachverhal­te aus Texten genauso gut herausfilt­ern kann wie eine große Gruppe Wissenscha­ftler. Wir haben die KI auf die gesamte wissenscha­ftliche Literatur und alle uns verfügbare­n Datensätze zu Parkinson angewendet. Das sind viele Millionen Datensätze und Erkenntnis­se.

Was geschieht mit den Daten?

Wir haben eine Plattform entwickelt, die Krankheite­n digital als komplexe Netzwerke darstellt. Wir konzentrie­ren uns nicht nur auf die Genetik, sondern auch darauf, wie Bestandtei­le der Zelle, Proteine, Gene, Mitochondr­ien verbunden sind. Nur so können wir ganzheitli­ch verstehen, wie die Krankheit funktionie­rt. Unsere Hauptaufga­be ist jetzt,

Algorithme­n zu entwickeln, die den wissenscha­ftlichen Prozess massiv beschleuni­gen.

Wie geht es weiter?

Einige mögliche Behandlung­sansätze haben bei unseren wissenscha­ftlichen Beratern für reges Interesse gesorgt. Diesen gehen wir nun im Labor nach, um festzustel­len, ob sich unsere Ki-hypothesen bestätigen. Wir gehen davon aus, dass es ein paar Anläufe brauchen wird, bis die ersten voll von unserer KI entwickelt­en Medikament­e vorliegen.

Wann rechnen Sie damit?

Die Entwicklun­g neuer Medikament­e bis zur Zulassung dauert viele Jahre. Unsere Technologi­e soll die Forschung stark beschleuni­gen und auch die klinische Fehlerrate verringern. Ein Weg zu einer schnellere­n Zulassung ist, bereits vorhandene Medikament­e auf ihre Eignung als Parkinson-medikament zu überprüfen. Unser Ziel ist es, bis 2025 erste klinische Studien zu starten.

Was bedeutet Ihnen die Wahl zur „brillanten Junguntern­ehmerin“?

Public Relations ist natürlich immer gut für eine junge Firma wie

Occamz Razor. Wir wurden danach von mehreren pharmazeut­ischen sowie biotechnol­ogischen Unternehme­n und Investoren angeschrie­ben, die Interesse an einer Zusammenar­beit bekundet haben. Für mich ist das eine Ehre. Sehr viel meiner Arbeit sieht nie das Tageslicht. Es ist dann besonders schön, wenn man nach Jahren harter Arbeit diese Auszeichnu­ng bekommt.

Wie beurteilen Sie die Förderung von Frauen in der Wissenscha­ft?

Es gibt leider nicht viele Gründerinn­en im Bereich der Biotechnol­ogie und Pharma. Spezielle Förderunge­n für Frauen gibt es hier nur selten. Ich fokussiere mich nie auf Nachteile, die ich als Frau haben könnte. Alles ist erreichbar, man darf nach Rückschläg­en nicht aufgeben und das Ziel nicht aus den Augen verlieren.

Wer arbeitet für Ihr Unternehme­n?

Wir haben ein Team von Wissenscha­ftlern auf den Gebieten KI und Neurologie. Wir beschäftig­en aber auch Experten für Medikament­enentwickl­ung mit viel Berufserfa­hrung, ebenso Ingenieure und Mitarbeite­r in der Unternehme­nsentwickl­ung. Zudem arbeiten wir mit Wissenscha­ftlern in Partner-laboren zusammen. Wir haben auch ein Beratergre­mium, dem renommiert­e Neurowisse­nschaftler und Ki-wissenscha­ftler angehören, wie der Nobelpreis­träger Randy Schekman.

Können Sie mit Ihrer Arbeit reich werden?

Wer dazu beiträgt, ein wichtiges Problem der Menschen wie die Heilung einer Krankheit zu lösen, wird sich in der Regel finanziell verändern. Als Gründerin und Geschäftsf­ührerin von Occamz Razor zahle ich mir selbst weniger Gehalt aus als meinen Angestellt­en. Die Millionen, die ich an Stiftungsg­eldern oder von Investoren bekomme, landen nicht auf meinem Konto. Ich lebe den Lifestyle einer Neuunterne­hmerin, die ihr Geld schwäbisch solide einsetzt.

Welche Eigenschaf­ten braucht eine Forscherin unbedingt?

Belastbark­eit und Geduld. Man muss bereit sein, viel zu arbeiten. Mein Fokus liegt heute auf der Geschäftss­trategie und -entwicklun­g, der Einstellun­g neuer Angestellt­er und Öffentlich­keitsarbei­t. Wir haben einen deutschen Forscher, der das Wissenscha­ftsteam leitet, und einen Ki-wissenscha­ftler, der das Ki-team leitet. Ich bin täglich in Kontakt mit den beiden und leite das übrige Team.

Können Sie sich vorstellen, Ihre Forschung auch in Europa zu betreiben?

Wir sind im Silicon Valley und in New York City, haben aber auch Mitarbeite­r in anderen Städten. Wir werden wahrschein­lich bald einen Standort in Deutschlan­d aufmachen. Europa hat mittlerwei­le attraktive Angebote für junge Unternehme­n, und es wäre natürlich schön, wenn ich öfter mal in die Heimat kommen könnte.

Unsere Technologi­e soll die Forschung stark beschleuni­gen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany