Digitale Planwirtschaft
Zu den bekanntesten Schwindeleien von Wirtschaftskapitänen gehört das Bekenntnis zum Wettbewerb, der die Qualität hoch und die Preise niedrig halten soll. Insgeheim träumen Unternehmer eher vom Verschwinden der Konkurrenz.
Die Digitalkonzerne haben schlaue Konzepte entwickelt, um das Prinzip des Wettbewerbs zu untergraben, das Ludwig Erhard als alternativlos betrachtete für faires Wirtschaften. Wer eine App vertreiben oder im Netz gefunden werden will, braucht Google und seinen Play Store oder flieht zum kleinen Apple. Gezieltes Werben ist die Spezialität von Facebook. Und wer online handelt, kommt an Jeff Bezos’ Digitalwarenhaus Amazon kaum vorbei. Denn Amazon ist auch eine Händlerplattform. Wenn aber ein Konzern die Märkte kontrolliert, wird der Wettbewerb unfair.
Der Berliner Soziologe Philipp Staab und Wirtschaftswissenschaftler Oliver Nachtwey warnen vor der Gefahr „proprietärer Märkte“. Staabs These: Die globalen digitalen Player haben schlaue „Akkumulationsregimes“etabliert, vulgo: Monopole. Eine Smart City etwa, die sich auf Google Maps verlässt, darf damit rechnen, dass nur Google-unternehmen wie der Rollervermieter Lime angezeigt werden.
Die Technik ist weiter als zu Zeiten von Marx und Engels.
Jack Ma, Gründer von Alibaba, dem chinesischen Amazon, ist überzeugt, dass die Digitalisierung in eine neue Planwirtschaft führt, jenes Wirtschaftsmodell, das einst den Sozialismus ruinierte. Warum? Weil die Technik weiter ist als zu Zeiten von Marx und Engels.
Die Planwirtschaft sowjetischer Bauart scheiterte an mangelnden Informationen. So konnte der Staat nur ein paar tausend Produkte kontrollieren. Parallel entstand ein Schwarzmarkt, der knallhart nach Angebot und Nachfrage funktionierte. Heute werden alle erdenklichen Daten erfasst, und KI könnte schaffen, woran der Sozialismus scheiterte: Konsum im Voraus berechnen, Produktion optimieren, Konkurrenz überflüssig machen. So ließen sich Klima schonen, Hunger und Arbeitslosigkeit bekämpfen, bei Bedarf Güter zuteilen. Soweit der Plan. Zentraler Unterschied zwischen Marx und Bezos: Digitale Planung dient den Aktionären, nicht der Allgemeinheit.
Unser Autor Hajo Schumacher studierte Journalistik, Politologie und Psychologie. Der 56-Jährige war Redakteur beim Spiegel und Chefredakteur von Max. Heute arbeitet er als freier Journalist, Buchautor und Moderator.