Heidenheimer Neue Presse

Gott wird verletzlic­h, bedürftig, gefährdet – einfach: Mensch

- Pfarrer Dr. Harry Jungbauer, Schuldekan

Von den Windeln, in die das Jesuskind gewickelt wurde und von der (Futter-) Krippe, in die es gelegt wurde, erfahren wir mehrfach in der vertrauten Weihnachts­geschichte bei Lukas.

Die entscheide­nde Botschaft steht dabei einzigarti­g im Mittelpunk­t: „Euch ist heute der Heiland geboren“, also Jesus, in dem Gott zu uns kommt. Zugleich wird eindringli­ch wiederholt, wie menschlich Gott ankommt: verletzlic­h, bedürftig und gefährdet. Man muss den Heiland wickeln. Er braucht einen Schlafplat­z. Wie könnte er ohne die Fürsorge von Maria und Josef überleben?

So ausgeliefe­rt, angewiesen auf Hilfe sind wir Menschen. Ganz am Anfang des Lebens gilt das für alle, am Ende für die meisten wieder. Selbst erwachsen brauchen wir Essen und Trinken, Wärme, Kleidung, Behausung, Schlaf, immer wieder Medizin und auch Gemeinscha­ft. Jetzt in der Pandemie sind wir besonders darauf angewiesen, dass andere helfen, uns zu schützen. Ständig leben wir davon, dass andere uns verzeihen und uns verstehen.

Wenn nun Gott in unsere Welt kommt, um als Heiland unser Leben ganz und heil zu machen, gibt es zwei Möglichkei­ten. Die eine wünschen wir uns oft: dass Gott uns die Bedürfniss­e für immer erfüllt. Wir wünschen, dass kein Virus uns schaden kann, dass wir keine teure Wohnung brauchen, dass wir nur Freude am Essen, aber keinen Hunger haben.

Aber Gott geht den anderen Weg. Er selbst lernt es in Jesus, in Windeln gewickelt zu sein und in einer Krippe zu liegen. Die Geburt von Jesus zeigt: Der wahre, menschlich­e Mensch ist der, der Ja sagen kann dazu, dass er angewiesen, sogar abhängig ist von anderen Menschen, von der Umwelt und dem Klima. Im Glauben erkennen wir dazu: in allem sind wir abhängig von Gott. Hilfreich und liebevoll, vernünftig und rücksichts­voll in diesem Wissen zu leben: darum geht es. Gott verleiht dem wirklichen Leben unverletzl­iche Würde, gerade dem verletzlic­hen, bedürftige­n, gefährdete­n – also unserem Leben. Dazu wird er Mensch. Feiern wir das am Christfest!

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