Triumph der Forscher
Zur Nörgelei haben die Deutschen ein inniges Verhältnis, und in der Tat: Das Land sitzt im Lockdown, die Intensivstationen werden voller, und eine neue, ansteckendere Virusvariante könnte die kommenden Monate gründlich verhageln.
Und doch: Dass die Impfungen gegen Covid-19 nun begonnen haben, dass die Entwicklung des ersehnten Stoffs im Rekordtempo gelang, dass zudem ein deutsches Startup-unternehmen quasi die globale Speerspitze der Corona-bekämpfung ist – all das ist eine Sensation. Ein Triumph der Wissenschaft. Vielleicht muss man sich im vielstimmigen Corona-dauergetöse kurz die Zeit nehmen, um auf das Wesentliche hinzuweisen: Corona wird nicht von Dummschwätzern und Querdenkern besiegt, nicht von Talkshow-helden oder Zeitungskommentatoren – und auch nicht von der Bundesregierung. Die Erkenntnis und den Sieg über das Virus kann nur die Wissenschaft bringen. Dass die Mainzer Biontech-gründer und Impfstoff-entwickler Uğur Şahin und Özlem Türeci aus türkischen Einwanderer-familien stammen, ist eine zusätzliche kleine Randnotiz im Kampf gegen Vorurteile und Ignoranz.
Dabei hat die Corona-krise auf bittere Weise aufgezeigt, welch schweren Stand Forschung und wissenschaftliches Denken haben. Virologen und Epidemiologen, die versuchten, der Welt die Lage zu erklären, wurden massiv angefeindet, bedroht und allzu oft von Besserwissern jeder Couleur übertönt. Ärzte und Pflegepersonal kämpfen in den Kliniken an der Belastungsgrenze um Patienten, während Corona-leugner und Verschwörungsgläubige lachend ihren Egoismus und ihre Dummheit zelebrieren.
Die Pandemie zeigt auch, wie dürftig das Wissen in der Bevölkerung über einfachste medizinische Fakten ist. Man muss sich schon fragen, warum in einem Land mit Spitzenforschung und Hochleistungsmedizin viele Menschen nicht den Unterschied zwischen einer „Erkältung“und der Grippe kennen – und Impfgegnerschaft in manchen Milieus zum guten Ton gehört. Diese unterschwellige Wissenschaftsfeindlichkeit ist einer Gesellschaft, deren einzige Ressource eigentlich die Bildung ist, schlicht unwürdig.
Darüber, dass Deutschland mit Biontech und dem Tübinger Impfstoffhersteller Curevac gleich zwei Vorreiter zu bieten hat, sollte man dann übrigens doch nicht zu viel jubeln. Curevac-gründer Ingmar Hoerr hat jüngst in einem schonungslosen Interview im „Spiegel“betont, dass die Rahmenbedingungen für neue Technologien hierzulande denkbar schlecht seien – und der aktuelle Erfolg letztlich nur zufälliger Liebhaberei einzelner Milliardäre zu verdanken sei, da sonst niemand in innovative Forschung investiere.
Auch für die Bewältigung der drohenden Klimakrise, deren Folgen noch viel schwerer zu greifen sind als die einer akuten Pandemie, sollte die Lektion aus Corona sein: Hört auf die Wissenschaft. Auch wenn sie vielleicht Dinge zu sagen hat, die uns nicht gefallen. Aber Populisten, die dem Volk nach dem Mund reden, haben noch nie die Welt gerettet.
Die Corona-krise hat aufgezeigt, welch schweren Stand die Wissenschaft in der Debatte oft hat.