Auf dem Bodensee geübt, vor Sardinien die Krönung erlebt
Seit der Jugend stellen sich vier Überlinger zusammen Wind, Wetter und Wellen. Jetzt haben sie als Team die Champions League gewonnen.
Scheint die Sonne auf das Schwert, macht der Skipper was verkehrt.“Mit dem Spruch können die Regatta-segler des Segel- und Motorbootclubs Überlingen (SMCÜ) zumindest im Rückblick auf dieses Jahr nichts anfangen, denn sie haben im bisher wichtigsten Rennen ihrer Karriere schlicht nichts falsch gemacht.
Es geht ums Segeln, ob auf dem Bodensee, Wannsee, der Ostsee oder in anderen Gewässern. Es geht 2020 aber auch um Corona und die Probleme, die dieses vermaledeite Virus den Seglern bereitet – natürlich nicht nur denen. Und Corona zum Trotz: Es geht um unerwartete Siege, um Spaß an dem Sport, an Wind und Wellen und Freude am Teamgeist, den auch ein Virus nicht einfach besiegen kann.
Über all das kann Frederik Schaal ganz viel erzählen. Der 28-jährige Ingenieur ist Crewmitglied auf dem Segelboot des Smcü-bootes. Zusammen mit Steuermann Michael Zittlau (Hamburg), Vorschiffsmann Sven Heßberger (Überlingen) und Taktiker Dominic Fritze (Karlsruhe) hat Trimmer Schaal (Berlin) im Oktober vor Porto Cervo (Sardinien) als erst zweites deutsches Boot die Sailing-championsleague gewonnen. Der SMCÜ ist damit sozusagen der FC Bayern München des Segelns.
In Überlingen am Bodensee, im Clubhaus der Segler, warten die rund 300 aktiven Mitglieder immer noch darauf, den größten Erfolg der Vereinsgeschichte zu feiern. Corona hat den Plänen bisher einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber irgendwann ...
Wenn Frederik Schaal mit dem Abstand von einigen Wochen über die sportliche Glanzleistung redet, spürt man immer noch die emotionale Bedeutung dieser Tage vor Sardinien. Die Lust am Abenteuer und am Unerwarteten ist rauszuhören. Corona hat viele Routinen bei den Regatten durchbrochen. Die Abläufe sind plötzlich anders als bei anderen Wettfahrten. Ein Beispiel: Nur mit Mühe sei die Crew am ersten Tag des Wettkampfes vollständig gewesen, erzählt Schaal. Für das Finale der Champions League!
Man muss sich das so vorstellen: Für eine Regatta, egal ob in der Segel-bundesliga oder der Champions League, muss erst einmal eine Mannschaft zusammengestellt werden. Dafür sind die beiden Teammanager Frederic Schaal und Sven Heßberger verantwortlich. Der Kader des SMCÜ umfasst 15 Segler und 4 Seglerinnen. 4 aus 19? Jetzt wird ausgesucht. Wer hat Zeit? Wer passt zusammen? Ein schwieriges Puzzle, das da zusammengesetzt werden muss. Häufig, aber längst nicht immer, wird jemand nicht berufen. Aber niemand beschwert sich, niemand mault herum. Ein Kader, eine Crew, ein gemeinsames Hobby mit großen Ambitionen: Segeln.
Vor dem Finale war Schaal der Verzweiflung nahe. Niemand hatte den Termin geblockt. Im Urlaub in Kroatien wurde der Teammanager fündig: Sven Heßberger. Nun hieß es, innerhalb eines Tages den Kollegen nach Sardinien zu holen, inklusive Coronatests. Die erste Herausforderung – bestanden.
Dann dieses spektakuläre Rennen in einem phantastischen Segelrevier.
Die Mannschaft um Steuermann Zittlau überzeugt bei allen Wetter-bedingungen. Die Überlinger zeigen Nervenstärke, als sie im finalen Rennen millimetergenau den Kurs der Schweizer Konkurrenz kreuzen und mit einer halben Bootslänge zum knappen Sieg schweben.
Großer, fast einsamer Jubel. Maske und Abstände waren so wichtig wie Wind und Wetter. „Wir haben phantastisch zusammengearbeitet, sehr gut kommuniziert und einfach die richtigen Entscheidungen getroffen“, fasst Schaal die Gründe für den unerwarteten Erfolg zusammen: „Aber Corona hat die Stimmung schon gedrückt.“
Seit der Jugend segelt das Quartett aus Überlingen zusammen. Dessen Eltern waren allesamt vor vielen Jahren an den Bodensee gezogen, um ihren Kindern das Segeln zu ermöglichen. Nun kommen sie aus allen Regionen Deutschlands zusammen, wenn es was zu gewinnen gibt: zum Beispiel die Champions League.