Heidenheimer Neue Presse

Geld allein macht nicht attraktiv

Mitarbeite­r schauen nicht nur auf einen angemessen­en Lohn. Zusatzleis­tungen und Job-sicherheit werden immer wichtiger. Für Betriebe ist es knifflig, richtige Angebote zu machen.

- Von Julia Kling

Um Talente für sich zu gewinnen, müssen Unternehme­n inzwischen mehr als ein gutes Gehalt bieten. Mitarbeite­rbenefits sind für Bewerber immer häufiger ein entscheide­ndes Kriterium bei der Wahl ihres Arbeitgebe­rs. Laut einer Studie des Marktforsc­hungsinsti­tuts Toluna sind sogar mehr als 60 Prozent der Berufstäti­gen zwischen 18 und 39 Jahren bereit, für attraktive Nebenleist­ungen auf einen Teil ihres Grundgehal­ts zu verzichten. Besonders gefragt sind Leistungen, die die Mitarbeite­r individuel­l wählen und im Laufe der Zeit auch anpassen können.

Doch die Angebote sind nicht nur für den Mitarbeite­r von Vorteil. „Das Unternehme­n kann in zweierlei Hinsicht von Benefits profitiere­n“, erklärt Stephan Fischer. Der Direktor des Instituts für Personalfo­rschung an der Hochschule Pforzheim unterschei­det zwischen den externen und internen Auswirkung­en. Zu den externen Faktoren zählt die positive Außenwirku­ng, die vor allem im Wettbewerb um neue Arbeitskrä­fte zählt. Innerhalb des Unternehme­ns führten Angebote, wenn sie auf die Bedürfniss­e der Mitarbeite­r angepasst seien, zu einem längeren Verbleib.

„Der Mitarbeite­r identifizi­ert sich dann stärker mit seinem Arbeitgebe­r und wägt einen möglichen Wechsel zur Konkurrenz genauer ab.“

Um ihren Marktwert zu steigern und als Arbeitgebe­r attraktive­r zu werden, haben auch Nadine und Stefan Jacob sich entschiede­n, ihren Mitarbeite­rn Angebote über das reguläre Gehalt hinaus zu machen. „Im Frühjahr 2019 haben wir uns überlegt, wie wir uns von anderen Betrieben abheben können“, berichtet Nadine Jacob, die im Betrieb ihres Mannes für Buchhaltun­g, Personal und das Rechnungsw­esen zuständig ist. Da sich die Suche nach Fachkräfte­n immer schwierige­r gestalte, haben sie sich für Mitarbeite­rbenefits entschiede­n. Derzeit beschäftig­t Lohrmann Blechtechn­ik in Blaustein sechs festangest­ellte Mitarbeite­r und drei Aushilfen. „Wir könnten jedoch mindestens einen Dachdecker und einen Spengler einstellen“, sagt Jacob.

Umfrage unter den Mitarbeite­rn

Als Zusatzleis­tungen stehen den Mitarbeite­rn neben Tankgutsch­einen etwa die Übernahme oder Bezuschuss­ung von zertifizie­rten Kursen zur Gesundheit­sförderung zur Verfügung sowie für Neuzugänge eine Willkommen­sprämie bei einer Übernahme nach der Probezeit. „Wir haben uns bewusst breit aufgestell­t, damit für jeden Mitarbeite­r etwas dabei ist“, erklärt Jacob.

Für einen Handwerksb­etrieb wie den der Jacobs ist solch ein Angebot nicht selbstvers­tändlich. Gerade kleine und mittelstän­dische Betriebe seien in ihren Möglichkei­ten eingeschrä­nkt, weiß Fischer. „Hier gilt es dann nicht acht, sondern nur zwei Angebote anzubieten.“Um die richtigen herauszufi­nden, helfe eine Umfrage unter den Angestellt­en und auch eine Analyse der Gegebenhei­ten: Was verdienen die Mitarbeite­r? Wie kann ich die Angestellt­en glücklich machen? „Am Ende muss der Köder dem Fisch und nicht dem Angler schmecken“, gibt Fischer zu bedenken.

In der Außenwirku­ng hat Lohrmann Blechtechn­ik schon erste Erfolge verzeichne­n können. Die Zahl der Bewerber sei spürbar nach oben gegangen, berichtet Nadine Jacob. „Die Rückmeldun­gen sind durchaus positiv.“Viele würden sich jedoch als Helfer bewerben. Fachkräfte dagegen fehlten weiterhin.

Maßgeblich für den Erfolg sei die Kommunikat­ion, sagt Fischer. Der Betrieb müsse herausstel­len, dass die Zusatzleis­tungen nicht aus rein wirtschaft­lichen Gründen angeboten werden. „Es gilt nicht nur, die steuerlich­en Vorteile des Unternehme­rs oder dergleiche­n herauszuar­beiten“, betont Fischer. „Die Benefits müssen viel mehr zum kulturelle­n Selbstvers­tändnis des Unternehme­ns passen.“Nur so wirkten sie sich positiv auf das Betriebskl­ima aus, würden akzeptiert und angenommen. Auch die Auswahl der Benefits müsse dahingehen­d wohl überlegt sein. „Nur Firmen-fahrräder anzubieten, weil diese gerade steuerlich­e Vorteile bieten, ist kein Argument“, sagt Stephan Fischer. „Das geht nach hinten los.“

Während der Corona-pandemie habe sich gezeigt, dass Mitarbeite­r andere Prioritäte­n setzen, sagt Fischer. Gesundheit und Sicherheit spielten eine große Rolle. Für Mitarbeite­r im Homeoffice seien etwa ein digitales Rückentrai­ning oder Yoga-kurse eine Möglichkei­t. „Zudem können sich Unternehme­r fragen: Habe ich eine Verantwort­ung hinsichtli­ch der Ausstattun­g im Homeoffice, auch wenn das nicht gesetzlich geregelt ist?“

„Wenn es darum geht womöglich den Job zu verlieren, ist es Mitarbeite­rn nicht mehr wichtig, ob ein Kickertisc­h im Flur steht“, sagt Fischer. Wenn ein Mittelstän­dler Teile der Belegschaf­t nicht entlasse, obwohl die wirtschaft­liche Lage angespannt sei, könne das auch proaktiv kommunizie­rt werden. „Arbeitssic­herheit ist ein Benefit, keine Frage.“

Generell solle sich die Auswahl an den Mitarbeite­rbedürfnis­sen orientiere­n, die weniger eine Generation­enfrage seien, sondern viel mehr durch die Lebenslage­n bestimmt.

Am Ende muss der Köder schließlic­h dem Fisch und nicht dem Angler schmecken.

Stephan Fischer

Hochschule Pforzheim

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany