Viel Kritik an Heils Entwurf
Ablehnung aus den übrigen Parteien: Den einen reichen die Reformpläne nicht aus, den anderen gehen sie zu weit.
Seit mehr als 15 Jahren ringt die SPD mit den Hartz-iv-reformen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Sanktionspraxis der Jobcenter infrage gestellt und ein Spd-parteitag im Dezember 2019 die weitgehende Abkehr von der Agenda 2010 beschlossen hatte, hat nun das Bundesarbeitsministerium einen Gesetzentwurf erarbeitet. Er sieht eine Reform der Reform vor.
In dem 80-seitigen Papier, das dieser Zeitung vorliegt, werden einschneidende Veränderungen festgeschrieben. Laut einem „Faktenblatt“des Ministeriums sollen in Anlehnung an die gegenwärtige Praxis unter Corona-bedingungen künftig generell „in den ersten zwei Jahren des Bezugs von Grundsicherung“Vermögen bis zu 60 000 Euro nicht überprüft werden. Und weiter heißt es, dass „diese Karenzzeit von zwei Jahren ebenfalls für selbstgenutztes Wohneigentum und Mietwohnungen gelten wird“.
Außerdem soll die Grundsicherung bei Regelverstößen nicht um mehr als 30 Prozent „des maßgebenden Regelbedarfs“gemindert werden. Die Sonderregelungen für unter 25-Jährige würden ersatzlos gestrichen, Kooperation, Qualifizierung und Berufsabschlüsse stünden im Vordergrund. „Die Grundsicherung soll ein soziales Bürgergeld werden, für das sich niemand schämen muss“, erklärte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in einem „Spiegel“-interview.
Grüne: Ein Trippelschritt
Allerdings wird aus dem Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode kein Gesetz mehr werden. Denn die Union lehnt den Vorstoß von Hubertus Heil rundweg ab. Der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU) sieht in dem Reformvorschlag die „schleichende Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens“. Ähnlich argumentiert die FDP. Die AFD hält ebenfalls nichts von dem Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums.
Kritik gibt es auch von anderer Seite. Katja Kipping, Parteivorsitzende der Linken, hält den Reformansatz zwar „für überfällig“. Das sei aber „noch lange nicht der notwendige Kurswechsel hin zu einem garantierten Schutz vor Armut“. Erhellend seien die Reaktionen der Union. „Selbst bei diesen kleinen sozialen Mini-korrekturen ruft die Union Zeter und Mordio. Das zeigt klar: Jede Regierung mit der Union wird den sozialen Fortschritt blockieren.“
Auch die Grünen sind unzufrieden. „Der Gesetzentwurf ist ein Trippelschritt bei der dringend notwendigen Abkehr von Hartz IV“, sagt Sven Lehmann, sozialpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. „Dass Sanktionen auf 30 Prozent begrenzt werden, ist sowieso Auftrag des Verfassungsgerichtes. Sanktionen unter das Existenzminimum müssen komplett abgeschafft werden.“Kinder müssten „raus aus Hartz IV und durch eine Kindergrundsicherung abgesichert werden“.