Teils Erleichterung, teils Bedenken
Von den Schulschließungen während der aktuellen Pandemie nicht betroffen sind sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren wie die Pistoriusschule in Herbrechtingen. Das freut nicht alle Eltern und Lehrer.
Die Pistoriusschule als sonderpädagogische Einrichtung ist von den aktuellen Schulschließungen nicht betroffen. Ganz problemlos allerdings funktioniert der Betrieb nicht.
Während andere Schulen wegen Corona geschlossen bleiben und überwiegend Homeschooling machen müssen, hat die Pistoriusschule in Herbrechtingen bereits seit Montag wieder geöffnet. Der Grund: Das Kultusministerium macht bei sonderpädagogischen Bildungsund Beratungszentren, kurz SBBZ, eine Ausnahme. „Für uns war es überraschend zu erfahren, dass wir schon zum 11. Januar wieder in den Präsenzunterricht starten“, sagt Susanne Rothschenk, stellvertretende Schulleiterin der Pistoriusschule. Man stelle sich natürlich die Frage, wie die Öffnung mit dem Infektionsgeschehen in Einklang zu bringen sei und warum zwischen den einzelnen Förderschwerpunkten differenziert werde, so Rothschenk.
Förderschwerpunkt relevant
Denn im Gegensatz zu den SBBZ für körperlich und geistig behinderte Kinder, wie die Pistoriusschule, bieten diejenigen mit dem Förderschwerpunkt Lernen voraussichtlich erst ab 18. Januar wieder Präsenzunterricht an. Zu letztgenanntem zählt die Buchfeldschule (SBBZ Lernen) in Bolheim in der Außenstelle Lindenbergschule. Vor Ort unterrichtet werden dort seit Montag lediglich die Abschlussklassen sowie die sieben Schüler, die für die Notbetreuung in dieser Woche angemeldet wurden. Drei weitere Kinder, die für die Notbetreuung angemeldet wurden, werden in der ersten Klasse der Pistoriusschule unterrichtet. Eine Erklärung, warum dieser
Unterschied gemacht werde, hätten die Schulleitungen vom Kultusministerium nicht bekommen, teilt die stellvertretende Schulleiterin der Pistoriusschule mit.
„Viele Eltern sind natürlich froh, dass wir wieder geöffnet haben. Doch es gibt auch Eltern und Kollegen, die gesundheitliche Bedenken haben.“Von den insgesamt 230 Schülern wurden 56 vom freiwilligen Präsenzunterricht abgemeldet, neun davon erhalten bereits seit längerem ein Fernlernangebot. Einige Eltern seien laut Rothschenk noch unentschlossen, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken werden. „Grundsätzlich richtet sich Unterricht an unserem SBBZ an den individuellen Lernausgangslagen und den Bedarfen der Schüler aus. Das gilt auch für die Fernlernangebote. Je nach Ausgangslage erhalten die Schüler ein individuell angepasstes Lernangebot. Dies umfasst Lern- und Materialpakete, digitalen Unterricht per Videokonferenz sowie die Bereitstellung von digitalen Lern- und Unterrichtsmaterialien.“Die Klassenteams würden in möglichst engem Austausch mit den Schülern und Eltern stehen.
Petition verweist auf Probleme
Betroffene Lehrer und Betreuer in Baden-württemberg haben nun eine Petition gestartet, mit der sie auf die besonderen Umstände an den SBBZ verweisen und fordern, die Einrichtungen nur dann zu öffnen, wenn der Gesundheitsschutz gewährleistet ist. „Die Einhaltung der Hygieneregeln gestaltet sich an unserer Schulart als fast unmöglich“, heißt es in dem öffentlichen Schreiben an Kultusministerin Susanne Eisenmann.
Bei Pflegetätigkeiten wie Wickeln, Essen reichen und Anziehen könne man den Abstand zu Schülern nicht einhalten. „Im Gegensatz zu Pflegekräften im Krankenhaus steht uns dafür aber keine entsprechende Schutzausrüstung zur Verfügung.“Auch der Unterricht erfordere oftmals direkte, körpernahe Zuwendung. In wenigen Tagen konnte die Petition knapp 9500 Unterschriften sammeln.
Das Kultusministerium begründete daraufhin seine Entscheidung mit dem hohen Pflegeund
Betreuungsbedarf der Sbbz-schüler: „Bei einem Wegfall des Präsenzunterrichts stünden Eltern dieser Kinder vor enormen Herausforderungen, die sie in der Regel nicht alleine schultern können.“
Klare Strukturen nötig
Außerdem seien Kinder und Jugendliche mit einer Beeinträchtigung der geistigen oder motorisch-körperlichen Entwicklung mehr als andere auf klare und regelmäßige Strukturen in ihrem Alltag angewiesen. Das Wegfallen dieser Strukturen würde ihnen enorme Schwierigkeiten bereiten. Das Kultusministerium plant den Angaben zufolge, den SBBZ zu Beginn dieses Jahres erneut mit Schutzausrüstung zu versorgen.