Heidenheimer Neue Presse

Rakete auf der Rampe

Silas Wamangituk­a startet nicht nur wegen seiner starken Solonummer­n durch. Mancher Experte sieht in ihm einen künftigen Weltklasse-spieler.

- Von Carlos Ubina

Es gibt tatsächlic­h schnellere Spieler in der Fußball-bundesliga. Alphonso Davies vom FC Bayern zum Beispiel, der in der dieser Saison schon mit 35,94 km/h auf dem Rasen gemessen wurde. Das bedeutet Rang eins. Oder Kingsley Coman auf Platz zwei, Höchstgesc­hwindigkei­t 35,68 km/h. Einen Wimpernsch­lag war der Münchner bisher schneller unterwegs als Silas Wamangituk­a (35,42). Doch in Verbindung mit einer weiteren wichtigen Statistik kommt der französisc­he Außenstürm­er nicht an die Offensivkr­aft des VFB Stuttgart heran.

Wamangituk­a hat bereits elf Ligatore erzielt, Coman nur zwei. Damit ist der Kongolese aktuell der erfolgreic­hste Mittelfeld­spieler im Oberhaus und hat sich in das Rampenlich­t katapultie­rt. Viele Beobachter zeigen sich beeindruck­t von den Qualitäten des 21-Jährigen. Denn Wamangituk­a sprintete etwa im vergangene­n Bundesliga-heimspiel gegen den FSV Mainz 05 etwa 80 Meter über den Platz und traf. Er wiederholt­e im Dfb-pokal gegen Borussia Mönchengla­dbach diesen Alleingang. Innerhalb von wenigen Sekunden liefen die überfallar­tigen Angriffe ab – von der Ballerober­ung bis zur Vollendung.

Fernsehexp­erte Bastian Schweinste­iger fühlte sich beim Anblick der Bilder gar an die früheren Weltklasse­spieler Arjen Robben und Franck Ribéry erinnert. Beides waren bekanntlic­h Flügelspie­ler: Robben mit einem ausgeprägt­en Hang zum eigenen Abschluss, Ribéry mit einer extremen Neigung zu wilden Dribblings. Gemessen an den Vorstellun­gen der einstigen Bayern-stars Rib & Rob erscheint einem Wamangituk­a nun wie eine Rakete auf der Rampe. Sie hat schon diverse Male gezündet, aber so richtig durchstart­en wird sie erst noch.

„Er wird in seinen Aktionen geradlinig­er und präziser“, sagt Vfb-coach Pellegrino Matarazzo. Der Trainer bescheinig­te dem Hoffnungst­räger (Vertrag bis 2024) bereits im vergangene­n Herbst „ein unfassbare­s Talent“. Denn Silas Wamangituk­a bringt etwas mit, das nicht mehr viele Spieler in sich tragen: das Straßenfuß­ball-gen. Eine Verspielth­eit und Frechheit, die im modernen Fußball fast anarchisti­sch anmutet – und die es in die geordneten Bahnen eines Mannschaft­sspiels zu lenken gilt.

„Sein Timing für tiefe Läufe wird immer besser, und er trifft immer häufiger die richtigen Entscheidu­ngen“, sagt Trainer Matarazzo über den „Jungen mit Herz“. 14 Torbeteili­gungen kommen so bereits zusammen, was 40 Prozent der Vfb-treffer ausmacht. Mit seinen elf Toren in 18 Einsätzen wandelt Stuttgarts Nummer 14 auf den Spuren einer Vereinsleg­ende. Zuletzt schaffte das Fredi Bobic in der Saison 1996/1997. Der Sportvorst­and von Eintracht Frankfurt war einst Stürmer, aber bei Wamangituk­a weiß man nicht, was er für eine genaue Berufsbeze­ichnung trägt.

Als Angreifer wurde er vom französisc­hen Zweitligis­ten Paris FC geholt. Über die Außenposit­ionen stürmt er gerne nach vorne, aber er kann auch zum Glied einer Fünferkett­e in der Abwehr werden. Diesen Teil seiner Arbeit musste Wamangituk­a erst lernen, da er aus keiner edlen Nachwuchsa­kademie stammt, in der Spielsyste­me, Taktiken und Laufwege gelehrt werden. Matarazzo vermittelt­e es ihm.

Er macht den Unterschie­d aus

Und mit dem Spielverst­ändnis wuchs das Selbstvert­rauen. Wamangituk­a weiß, was der Trainer auf den verschiede­nen Positionen von ihm verlangt – und er weiß seine Stärken besser einzusetze­n. Das macht ihn immer wertvoller für den VFB und interessan­ter für andere Klubs. Dennoch bewegt sich Wamangituk­a mit seinen Tempodribb­lings und Torschüsse­n bisweilen auf einem schmalen Grat. „Bei Silas weiß ich, dass er den Ball nicht gerne abspielt“, sagt Stürmer Sasa Kalajdzic.

Jedes Team benötigt individuel­le Klasse, um Abwehrkett­en zu sprengen. Doch es stellt sich die Frage: Wie viel Eigensinn verträgt eine intakte Gruppe? Die Antwort hängt sicher davon ab, inwieweit die Mannschaft von den individuel­len Leistungen profitiert.

Bei Silas Wamangituk­a scheint das Verhältnis jedenfalls zu stimmen. Er erfüllt beim VFB seine defensive Aufgaben, und im Moment macht er mit seinem Tempo und seinen Toren in der Offensive den Unterschie­d aus.

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Foto: Tom Weller/dpa Auch mit Ball am Fuß kaum zu stoppen: Stuttgarts Silas Wamangituk­a (Mitte), hier im Spiel gegen RB Leipzig.

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