Rakete auf der Rampe
Silas Wamangituka startet nicht nur wegen seiner starken Solonummern durch. Mancher Experte sieht in ihm einen künftigen Weltklasse-spieler.
Es gibt tatsächlich schnellere Spieler in der Fußball-bundesliga. Alphonso Davies vom FC Bayern zum Beispiel, der in der dieser Saison schon mit 35,94 km/h auf dem Rasen gemessen wurde. Das bedeutet Rang eins. Oder Kingsley Coman auf Platz zwei, Höchstgeschwindigkeit 35,68 km/h. Einen Wimpernschlag war der Münchner bisher schneller unterwegs als Silas Wamangituka (35,42). Doch in Verbindung mit einer weiteren wichtigen Statistik kommt der französische Außenstürmer nicht an die Offensivkraft des VFB Stuttgart heran.
Wamangituka hat bereits elf Ligatore erzielt, Coman nur zwei. Damit ist der Kongolese aktuell der erfolgreichste Mittelfeldspieler im Oberhaus und hat sich in das Rampenlicht katapultiert. Viele Beobachter zeigen sich beeindruckt von den Qualitäten des 21-Jährigen. Denn Wamangituka sprintete etwa im vergangenen Bundesliga-heimspiel gegen den FSV Mainz 05 etwa 80 Meter über den Platz und traf. Er wiederholte im Dfb-pokal gegen Borussia Mönchengladbach diesen Alleingang. Innerhalb von wenigen Sekunden liefen die überfallartigen Angriffe ab – von der Balleroberung bis zur Vollendung.
Fernsehexperte Bastian Schweinsteiger fühlte sich beim Anblick der Bilder gar an die früheren Weltklassespieler Arjen Robben und Franck Ribéry erinnert. Beides waren bekanntlich Flügelspieler: Robben mit einem ausgeprägten Hang zum eigenen Abschluss, Ribéry mit einer extremen Neigung zu wilden Dribblings. Gemessen an den Vorstellungen der einstigen Bayern-stars Rib & Rob erscheint einem Wamangituka nun wie eine Rakete auf der Rampe. Sie hat schon diverse Male gezündet, aber so richtig durchstarten wird sie erst noch.
„Er wird in seinen Aktionen geradliniger und präziser“, sagt Vfb-coach Pellegrino Matarazzo. Der Trainer bescheinigte dem Hoffnungsträger (Vertrag bis 2024) bereits im vergangenen Herbst „ein unfassbares Talent“. Denn Silas Wamangituka bringt etwas mit, das nicht mehr viele Spieler in sich tragen: das Straßenfußball-gen. Eine Verspieltheit und Frechheit, die im modernen Fußball fast anarchistisch anmutet – und die es in die geordneten Bahnen eines Mannschaftsspiels zu lenken gilt.
„Sein Timing für tiefe Läufe wird immer besser, und er trifft immer häufiger die richtigen Entscheidungen“, sagt Trainer Matarazzo über den „Jungen mit Herz“. 14 Torbeteiligungen kommen so bereits zusammen, was 40 Prozent der Vfb-treffer ausmacht. Mit seinen elf Toren in 18 Einsätzen wandelt Stuttgarts Nummer 14 auf den Spuren einer Vereinslegende. Zuletzt schaffte das Fredi Bobic in der Saison 1996/1997. Der Sportvorstand von Eintracht Frankfurt war einst Stürmer, aber bei Wamangituka weiß man nicht, was er für eine genaue Berufsbezeichnung trägt.
Als Angreifer wurde er vom französischen Zweitligisten Paris FC geholt. Über die Außenpositionen stürmt er gerne nach vorne, aber er kann auch zum Glied einer Fünferkette in der Abwehr werden. Diesen Teil seiner Arbeit musste Wamangituka erst lernen, da er aus keiner edlen Nachwuchsakademie stammt, in der Spielsysteme, Taktiken und Laufwege gelehrt werden. Matarazzo vermittelte es ihm.
Er macht den Unterschied aus
Und mit dem Spielverständnis wuchs das Selbstvertrauen. Wamangituka weiß, was der Trainer auf den verschiedenen Positionen von ihm verlangt – und er weiß seine Stärken besser einzusetzen. Das macht ihn immer wertvoller für den VFB und interessanter für andere Klubs. Dennoch bewegt sich Wamangituka mit seinen Tempodribblings und Torschüssen bisweilen auf einem schmalen Grat. „Bei Silas weiß ich, dass er den Ball nicht gerne abspielt“, sagt Stürmer Sasa Kalajdzic.
Jedes Team benötigt individuelle Klasse, um Abwehrketten zu sprengen. Doch es stellt sich die Frage: Wie viel Eigensinn verträgt eine intakte Gruppe? Die Antwort hängt sicher davon ab, inwieweit die Mannschaft von den individuellen Leistungen profitiert.
Bei Silas Wamangituka scheint das Verhältnis jedenfalls zu stimmen. Er erfüllt beim VFB seine defensive Aufgaben, und im Moment macht er mit seinem Tempo und seinen Toren in der Offensive den Unterschied aus.