Gebannter Blick nach Osteuropa
Bekommen Spargelbauern genug Arbeitskräfte, um die deutschen Teller füllen zu können? Das kann derzeit niemand sagen. Grenzschließungen hätten dramatische Folgen.
Eigentlich ist alles angerichtet für eine schmackhafte Spargel-saison auf den deutschen Tellern. Boden, Wetter, Witterung – die Bauern haben keinen Grund zu klagen. „Der Spargel“, sagt Simon Schumacher, Vorstandssprecher beim Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeerbauern (VSSE), „hatte die Ruhephase, die er braucht, um richtig austreiben zu können.“Doch um auf dem Essenstisch zu landen, muss er vorher erst geerntet werden – und hier fangen die Probleme an, wegen Corona und den Mutationen.
Rund 140 000 Saisonarbeitskräfte werden für die Ernte auf den Spargel- und Erdbeerfeldern in Deutschland benötigt. Viele davon kommen aus Polen und Rumänien, ohne sie ist die Ernte nicht zu schaffen. Richtig los geht es zwischen Mitte und Ende März, sagt Schumacher. Noch sind die beiden Länder sogenannte Risikogebiete. Doch die direkten Nachbarn Tschechien und Slowakei sind bereits Virusvariantengebiete.
Die praktischen Unterschiede, welche die Einteilung der Gebiete mit sich bringen, sind enorm. Wird ein Land als Risikogebiet eingestuft, ist für die Einreisenden
eine sogenannte Arbeitsquarantäne möglich. Das bedeutet: Ein negativer Test 48 Stunden vor oder nach der Einreise, danach zehn Tage in festen Teams arbeiten. Zwischendurch gibt es immer wieder Schnelltests. Ins nächstgelegene Dorf dürfen die Arbeiter zwar nicht, um den Kontakt mit der Bevölkerung zu minimieren, aber immerhin ist eine gewisse Bewegungsfreiheit möglich.
Diese haben Personen, die aus Virusvariantengebieten einreisen, überhaupt nicht. Unabhängig vom Testergebnis bei der Einreise müssen die Helfer vierzehn Tage in eine besondere Form der Isolation, die Container-quarantäne. Zwei Wochen am Stück gemeinsam mit einer weiteren Person auf engsten Raum, den man nicht verlassen darf – das ist eine Belastung selbst für gute Freundschaften, erst recht für zwei Menschen, die sich völlig fremd sind.
Droht den Deutschen also ein Jahr mit wenig Spargel und Erdbeeren in der Ladentheke? Vergangenes Jahr konnten 30 Prozent der Ernte nicht eingeholt werden, hat der VSSE berechnet. Damals fiel die Saison voll in die erste Welle der Pandemie. Jetzt weiß zwar jeder viel mehr über Covid-19, aber die Bauern können nur hoffen und das Infektionsgeschehen in Osteuropa beobachten.
Eine klare Linie der Politik ist für den VSSE jedenfalls nicht erkennbar. Bundesinnenminister Horst Seehofer agiere sehr schnell und unvorhersehbar bei den Grenzschließungen, kritisiert Schumacher. „Das ist das Damoklesschwert, das über uns hängt.“Jemand mit der Aussicht auf eine Container-quarantäne nach Deutschland zu locken, ist jedenfalls alles andere als einfach. „Die Menschen fragen sich dann“, sagt Schumacher, „ob sie nicht lieber in den Niederlanden oder in Belgien arbeiten sollen.“
Eckhard Kuhl ist Geschäftsführer der Spargelbau Gmbh Sallgast in der Niederlausitz. Bei ihm beginnt die Ernte etwas später als im Süden, in der Woche nach Ostern will er loslegen. Dafür braucht er in etwa 80 Helfer, acht davon sind bereits da, der Rest soll Anfang April kommen. Trotz der räumlichen Nähe zu Polen kommen mittlerweile 90 Prozent seiner Saisonarbeitskräfte aus Rumänien.
Kuhl ist aus zweierlei Gründen optimistisch für die kommende Spargelsaison. Zum einen kommen viele Erntehelfer aus ländlichen Gebieten in Rumänien auf seinen Hof. „Dort gibt es derzeit nicht viele Corona-fälle.“Zum anderen ist er von den Hygienemaßnahmen und der Teststrategie auf seinem Hof überzeugt. Es gelten ähnliche Regeln wie bei der Arbeitsquarantäne. Ergänzt wird die Strategie durch Schnelltests auf dem Hof. „Für die Durchführung sind extra Mitarbeiter ausgebildet worden.“Nur eines könne eine ertragreiche Spargelsaison verhindern, sagt Kuhl: Geschlossene Grenzen, wie im vergangenen Jahr. „Dann wird es böse.“2020 musste Kuhl die Arbeitskräfte per Flugzeug aus ihrer Heimat holen. Trotzdem musste er 20 Prozent des Spargels stehen lassen.
Die Bundesregierung könnte den Spargelbauern mit einer relativ simplen Maßnahme helfen, sagt Verbandschef Schumacher. Für das laufende Jahr könnte sie ausnahmsweise beschließen, dass eine Arbeitskraft für fünf statt drei Monate kurzfristig beschäftigt werden darf. In dieser Zeit müssen keine Abgaben für die Sozialversicherung bezahlt werden. Schumacher sieht in diesem Vorschlag nur Gewinner: Für das Infektionsgeschehen ist es besser, wenn weniger Menschen ins Land kommen, die Bauern haben besser eingelernte Helfer und diese verdienen länger nach deutschen Standards. Allerdings stößt Schumacher damit, sagt er, bei Arbeitsminister Hubertus Heil auf taube Ohren.
Die Erntehelfer überlegen, ob sie lieber in Belgien oder den Niederlanden arbeiten wollen. Simon Schumacher Vorstandssprecher beim Spargelverband