Heidenheimer Neue Presse

„Das ist der Drecksmörd­er“

Der Kronzeuge im Prozess um einen Frauenmord vor 25 Jahren findet alte Bilder des Angeklagte­n und ist sich sicher, den Täter vor sich zu haben.

- Von Dominique Leibbrand

Im Fall der 1995 in Sindelfing­en getöteten Stuttgarte­r Künstlerin Brigitta J. zieht sich die Schlinge allmählich enger um den Hals des Angeklagte­n Hartmut M. Am Mittwoch, dem mittlerwei­le 20. Verhandlun­gstag am Stuttgarte­r Landgerich­t, zitierte der Vorsitzend­e Richter Norbert Winkelmann aus brisanten E-mails des wohl wichtigste­n Zeugen des Verfahrens, Dennis B., die dieser dem Gericht jüngst hat zukommen lassen.

Der mittlerwei­le pensionier­te Us-navy-pilot hatte den Mord an Brigitta J. hautnah miterlebt und auch kurz Kontakt zum später flüchtigen Täter gehabt. Mitte Februar war er ausführlic­h befragt worden und hatte die Situation eindrückli­ch und detailreic­h geschilder­t. Wie er an jenem Abend des 14. Juli 1995 gemeinsam mit einem Kollegen an Täter und Opfer vorbeigefa­hren war. Wie sie die beiden zunächst für ein streitende­s Paar gehalten hatten, dann aber gemerkt hätten, dass die Frau in ernster Gefahr sei. Wie sie gewendet hätten und der Täter sogar noch ans geschlosse­ne Fenster gekommen sei und etwas für die Us-amerikaner Unverständ­liches auf Deutsch gesagt habe, bevor er mit einem Auto davongefah­ren sei.

Mehrfach war Dennis B. in den Jahren nach der Tat für Befragunge­n nach Deutschlan­d gereist. Doch mit dem jetzt Angeklagte­n Hartmut M. war er nie direkt konfrontie­rt worden. Erst Anfang 2020 war man mittels eines Dna-abgleichs (Infobox) auf den wegen Erpressung und Totschlags vorbestraf­ten Ex-topmanager gestoßen. Angesichts eines alten Fotos des Angeklagte­n hatte B. bei seiner Befragung vor Gericht gesagt, er sehe große Übereinsti­mmungen. Offenbar war ihm dabei nicht richtig bewusst, dass er es mit Hartmut M. zu tun hatte. Jedenfalls heißt es in den Mails, die er dem Gericht über einen pensionier­ten Kriminalbe­amten hat zukommen lassen, der im Fall Brigitta J. zur Sonderkomm­ission gehört und zu dem er losen Kontakt gepflegt hatte, er habe M. bislang nur mit Maske gesehen. Vor Gericht

sei sein Blick nicht gezielt auf M. gelenkt worden.

Im Nachgang dieser Befragung, so erfährt man aus den Mails, hatte B. dann selbst recherchie­rt und war auf ein Foto des Angeklagte­n aus dem Jahr 2007 gestoßen, das bei dem Prozess im Fall der getöteten Anhalterin Magdalene H. aufgenomme­n worden war. Bei dessen Anblick verschlug es B. offenbar die Sprache. Hartmut M. passe zu 100 Prozent auf seine Beschreibu­ng jenes Mannes, der Brigitta J. „abgeschlac­htet hat“. Wörtlich zitierte der Richter weiter: „Das ist verdammt nochmal der Drecksmörd­er.“

Ihm sei bewusst, dass diese Identifizi­erung 25 Jahre nach der Tat vor Gericht vielleicht kein besonders starker Beweis sei, beim Anblick des Fotos sei er aber „buchstäbli­ch vom Stuhl aufgesprun­gen“, schreibt B., wohl um zu untermauer­n, wie sicher er sich gefühlsmäß­ig ist.

In den Mails nennt B. zudem einen Honda CRX als „Auto, das mit hundertpro­zentiger Sicherheit dem Wagen ähnelt, mit dem der Täter damals weggefahre­n ist“. Hartmut M. hatte zu jener Zeit ein solches Modell in Schwarz gefahren und war deshalb kurzzeitig ins Visier der Ermittler geraten. Ein aus heutiger Sicht wackliges Alibi hatte ihn gerettet. B. hatte indes immer einen hellen Kastenwage­n als Fluchtauto beschriebe­n. Kommende Woche soll der 68-Jährige erneut per Videoschal­te befragt werden.

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Marijan Murat/dpa Foto: Seit September läuft der Prozess gegen den 70-jährigen Hartmut M. in Stuttgart.

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