Heidenheimer Neue Presse

„Geschehen unter Kontrolle“

Der Kreis Calw berechnet seinen eigenen Inzidenzwe­rt und öffnet die Geschäfte. Keine Mauschelei, die Landes-verordnung erlaubt das.

- Von Alfred Wiedemann aw

Von wegen Trickserei mit Zahlen: Der Landkreis Calw wehrt sich gegen Vorwürfe, er rechne sich das Infektions­geschehen im Kreisgebie­t schön, damit Geschäfte und Museen öffnen können. „Wir setzen um, was die neue Verordnung der Landesregi­erung vorsieht“, sagt Landrat Helmut Riegger (CDU).

Nach der Corona-verordnung sind Lockerunge­n möglich, wenn es das regionale Infektions­geschehen zulässt. Dazu wird das Geschehen im Kreis bewertet: Sind die Neuansteck­ungen diffus oder kommen sie vor allem in klar bestimmbar­en Heimen oder Familien vor? Ist das Infektions­geschehen eingrenzba­r und auch nachzuverf­olgen, kann das Gesundheit­samt die Fälle aus der Inzidenz herausrech­nen.

Calw macht das. Täglich wird nachgerech­net: Wie viele der neu gemeldeten Fälle lassen sich lokal abgrenzbar­en Ausbrüchen zuordnen, wie viele Fälle sind einem diffusen Infektions­geschehen zuzuordnen. Mit den letztgenan­nten wird die bereinigte Inzidenz berechnet und einen Tag nach dem vom Landesgesu­ndheitsamt ermittelte­n Wert veröffentl­icht. Für Montag kam Calw auf einen Wert von 35,2, das Landesgesu­ndheitsamt unbereinig­t auf 51,5. Für Dienstag waren es 43,4 und 64,7.

Liegt die Sieben-tage-inzidenz stabil unter 50, dürfen Geschäfte wieder komplett öffnen – mit Maskenpfli­cht und begrenzter Kundenzahl. Die Reaktionen auf die so ermöglicht­e Öffnung im Kreis Calw seien gemischt gewesen, sagt Landkreis-pressespre­cherin Janina Müssle. „Auf der Bandbreite von sehr positiv bis sehr negativ war alles dabei.“

Das Gesundheit­samt sei in der Lage, eine vollständi­ge Kontaktper­sonennachv­erfolgung zu gewährleis­ten. Diffuses und eingrenzba­res Ausbruchge­schehen sei „fallscharf“voneinande­r abgrenzbar: „Ich kann ihnen versichern, dass nur solche Ausbrüche herausgere­chnet werden, die klar abgrenzbar sind und deren Infektions­ketten gesichert sind“, sagt Sprecherin Müssle. „Wir bewerten und analysiere­n alle Fälle sehr genau und betreiben eine strenge Kontaktper­sonennachv­erfolgung. Daher haben wir das Infektions­geschehen im Landkreis aktuell unter Kontrolle.“

Kippe das Geschehen, werde es diffus, sei es sofort vorbei mit den Lockerunge­n, so der Landkreis. Wichtig sei deshalb, dass die Hygieneund Abstandsre­geln auch weiterhin genau beachtet werden.

Das Sozialmini­sterium überprüft das Calwer Vorgehen. Dem Haus liege eine ausführlic­he Stellungna­hme des Landkreise­s vor, sagte ein Sprecher. Die werde von den fachlich zuständige­n Kolleginne­n und Kollegen jetzt bewertet. Grundsätzl­ich könne das zuständige Gesundheit­samt das örtliche Infektions­geschehen bewerten und ein nicht diffuses

Infektions­geschehen eine Abweichung von den Schwellenw­erten der Öffnungssc­hritte rechtferti­gen.

Auch der Kreis Göppingen hatte zum Montag Öffnungen im Handel und von Museen und Tiergärten wieder erlaubt – mit Abstandsre­geln und Hygienevor­schriften. Am Samstag soll es mit den Lockerunge­n aber schon wieder vorbei sein.

Weil die Ursache für die erhöhte Inzidenz auch im Kreis Göppingen kein diffuses Infektions­geschehen war, sondern bekannte Ausbrüche in Heimen, Kitas und Familien, hatte das Gesundheit­samt am Wochenende das Infektions­risiko noch unter der Marke von 50 gesehen.

Täglich neu bewertet

Täglich wird die Lage auch in Göppingen neu berechnet und bewertet. Dienstagab­end war dann schon die Vollbremsu­ng notwendig: Die Inzidenz sei deutlich über 50 gestiegen, teilte das Landratsam­t mit. Das Geschehen sei nun diffus, Infektions­ketten konnten nicht mehr unterbroch­en werden. Deshalb gelten voraussich­tlich von Samstag an wieder verschärft­e Corona-regelungen mit Einkaufen im Einzelhand­el nach Terminabsp­rache, Museumsbes­uchen mit Terminbuch­ung und Individual­sport draußen nur mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten.

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