Heidenheimer Neue Presse

Lieber Schimpfter­min,

- Thomas Jentscher

aus irgendeine­m Grunde bist Du gerade in aller Munde, auch im schönen Heidenheim. Alle wollen dich haben, sicher haben auch alle jede Menge Grund, mal so richtig loszuschim­pfen. Aber alle gleichzeit­ig geht natürlich nicht, also immer schön der Reihe nach.

Zuerst sind die Alten dran. Das ist auch gerecht, denn die haben am meisten erlebt und deshalb auch den größten Bruddelbed­arf. Zum Beispiel können sie darüber schimpfen, dass früher mehr Disziplin herrschte. Heute macht doch jeder, was er will, die Menschen sind lethargisc­h und es gibt sogar eine gewisse Schimpfmüd­igkeit.

Wer von den älteren Mitbürgern in der DDR groß wurde, kann da nur mit dem Kopf schütteln. Dort gab es keine Schimpfver­weigerer und man blickte verächtlic­h gen Westen: Nimm das, Klassenfei­nd.

Wenn die Jahrgänge 1950 abwärts durch sind, ist das medizinisc­he Fachperson­al an der Reihe. Kein Wunder, bei diesen Arbeitszei­ten, den Bedingunge­n und der Bezahlung haben sie mindestens genauso viel Anlass zum Motzen wie die Senioren. Und wehe, es klatscht noch mal einer!

Dann kommen Lehrer, Erzieher, Soldaten und Menschen mit Vorerkrank­ung und irgendwann dürfen auch wir uns darauf freuen, mal so richtig Dampf abzulassen. Wenn nicht wieder so ein Schimpfdrä­ngler dazwischen grätscht. Ein paar haben eben besonders großen Bedarf, Zeter und Mordio zu schreien. Wahrschein­lich Bundestags­abgeordnet­e, die nicht verstehen können, warum sie ihr Mandat aufgeben sollen, obwohl sie doch nur eine absolut marktgerec­hte Provision für die Vermittlun­g von Schutzmask­en ein kassiert haben.

Naja, dann sollen sie mal schimpfen, vielleicht können sie uns bei dieser Gelegenhei­t auch erklären, warum es zwischen Hersteller und Unternehme­n überhaupt eines Vermittler­s bedarf. Oh, jetzt sind wir selbst am Meckern, dabei haben wir doch noch gar keine Zulassung. Kannst Du mal ein Auge zudrücken, lieber Schimpfter­min?

Ach, Du liest es ja nicht . . .

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