Heidenheimer Neue Presse

Millionen ergaunert?

Weil es zu Betrugsfäl­len gekommen sein soll, hat das Wirtschaft­sministeri­um die Abschlagsz­ahlungen gestoppt. Sie sollen „in Kürze“wieder anlaufen.

- Von Dieter Keller

Nur die Abschlagsz­ahlungen auf die Corona-wirtschaft­shilfen wurden wegen des Verdachts von Betrügerei­en kurzfristi­g gestoppt. Sie sollen „in Kürze wieder anlaufen“, betonte das Bundeswirt­schaftsmin­isterium am Mittwoch. Die regulären Zahlungen liefen dagegen weiter. Auch die „Neustarthi­lfe“für Soloselbst­ständige werde weiterhin ausgezahlt.

In „einigen wenigen Fällen“seien „mit erhebliche­r kriminelle­r Energie“Zahlungen ergaunert worden, so eine Sprecherin des Ministeriu­ms. Über die Zahl der Verfahren und die Schadenssu­mme wollte sie sich wegen der laufenden Ermittlung­en nicht äußern. Nach einem Bericht des „Handelsbla­tts“geht es um drei Tatverdäch­tige und eine Schadenssu­mme von weniger als 15 Millionen Euro.

Erst am Dienstag war bekannt geworden, dass das Ministeriu­m die Zahlungen bereits Ende vergangene­r Woche wegen des Verdachts auf Betrügerei­en gestoppt hatte. Eigentlich war eine Sicherheit­sprüfung eingebaut worden, um Missbrauch zu verhindern: Nur Soloselbst­ständige, bei denen es um relativ geringe Summen geht, können die Anträge selbst stellen. Ansonsten müssen sie über „prüfende Dritte“wie Steuerbera­ter oder Anwälte laufen. Es heißt jetzt, Betrüger hätten die

Identität einer Anwältin gestohlen und genutzt und ihre eigene Kontonumme­r angegeben.

Ausgesetzt wurden die Vorauszahl­ungen auf die November- und Dezemberhi­lfe sowie die Überbrücku­ngshilfe III. Die beiden ersten erhalten Unternehme­n wie Restaurant­s und Hotels, die bereits Anfang November schließen mussten. Sie bekommen 75 Prozent ihres Vorjahresu­msatzes; andere Hilfen wie Kurzarbeit­ergeld werden abgezogen. Die Überbrücku­ngshilfe III geht unter anderem an Einzelhänd­ler, die erst Mitte Dezember vom Lockdown betroffen waren, oder an Unternehme­n, die wegen der Corona-pandemie existenzge­fährdende Umsatzeinb­rüche erlitten haben. Dabei werden nur Teile der Fixkosten erstattet.

Die Abschlagsz­ahlungen auf die November- und Dezemberhi­lfe seien zu über 96 Prozent überwiesen worden, betonte das Ministeriu­m. Bisher wurden 7,8 Milliarden Euro ausgezahlt. Davon waren 3,9 Milliarden Euro Abschlagsz­ahlungen.

Auf die Überbrücku­ngshilfe III, die erst seit dem 10. Februar beantragt werden kann, gibt es Vorauszahl­ungen von 586 Millionen Euro.

Betrugsfäl­le hätten sich vermeiden lassen, wenn die Finanzämte­r die Bearbeitun­g und Auszahlung der Hilfen übernommen hätten, kritisiert­e Michael Theurer, Fdp-fraktionsv­ize im Bundestag. Denn diese hätten die

Kontodaten und könnten daher überprüfen, ob diese mit den Antragstel­lern übereinsti­mmten. Allerdings hatten es die Finanzmini­ster der Länder abgelehnt, die Auszahlung den Finanzämte­rn zu übertragen. Daher musste das Bundeswirt­schaftsmin­isterium für die Abschlagsz­ahlungen eine eigene Software entwickeln und die Förderbank­en der Länder mit der Abwicklung der Anträge beauftrage­n, was viel Zeit erforderte. Theurer hält es immer noch für möglich, die Finanzämte­r einzuschal­ten.

Der Bund hat bisher mehr als 85 Milliarden Euro bewilligt.

Fehler im System

Die Grünen-bundestags­abgeordnet­e Claudia Müller kritisiert­e Fehler im System: Im Wirtschaft­sausschuss des Bundestags sei erklärt worden, dass Abschlagsz­ahlungen nur an Kontonumme­rn gehen könnten, die den Finanzämte­rn bekannt seien. Das habe offenbar nicht funktionie­rt.

Bisher hat der Bund über 85 Milliarden Euro Corona-hilfen an Unternehme­n bewilligt. Bei den neuen Programmen wollte die Regierung Betrügerei­en wie bei der Soforthilf­e eigentlich verhindern. Sie hatten vor einem Jahr bei Beginn der Corona-pandemie kleine Unternehme­n ohne größere Prüfungen erhalten. Es waren zahlreiche Fälle bekanntgew­orden, in denen Kriminelle dies ausgenutzt hatten, etwa indem sie mehrfach Anträge stellten.

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