Atomausstieg nicht vollendet
Die Umweltministerin will auch Atomfabriken stilllegen und sich in Zukunft verstärkt dem Ausland zuwenden.
Berlin. Ende kommenden Jahres wird das Kapitel Atomenergie in Deutschland zu Ende sein. 62 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten Reaktors in Kahl am Main bei Aschaffenburg soll dann das letzte der noch sechs verbleibenden Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Doch so ganz auserzählt ist die deutsche Atomgeschichte damit dann noch nicht.
Denn in Betrieb sein werden zu diesem Zeitpunkt noch immer eine Urananreicherungsanlage im nordrhein-westfälischen Gronau sowie eine Brennelementefabrik in Lingen, Niedersachsen. Pünktlich zum zehnten Jahrestag des Atomunglücks von Fukushima rief das Umweltministerin Svenja Schulze auf den Plan. „Unser Atomausstieg ist nicht mit der Produktion von Brennstoff und Brennelementen für Atomanlagen im Ausland vereinbar“, sagte Schulze am Donnerstag.
Für sie selber hat diese Feststellung angesichts der vorangeschrittenen Legislaturperiode zwar nur wenige Konsequenzen. Aufgrund fehlender Unterstützung in der Bundesregierung, womit wohl vor allem der Wirtschaftsminister gemeint ist, habe man die Fabriken nicht schon früher schließen können. Dies müsse nun aber auf jeden Fall Aufgabe einer nächsten Bundesregierung sein, so Schulze. Wie hoch die Entschädigungszahlungen an die Betreiber ausfallen würden, konnte sie nicht sagen.
Ohne Wissen keine Mitsprache
Während die Grünen den Vorstoß begrüßen, hagelt es beim Koalitionspartner Kritik. „Zu glauben, mit der Schließung der Brennelementefertigung in Deutschland könnte die Abschaltung weiterer Kernkraftwerke im Ausland beschleunigt werden, ist naiv“, so die umweltpolitische Sprecherin der Union, Marie-luise Dött, zu dieser Zeitung. Andere Anbieter, die die hohen deutschen Sicherheitsanforderungen nicht erfüllten, würden die Lücke füllen. Um aber in internationalen Gremien zu nuklearer Sicherheit mitreden zu können, benötige Deutschland wenigstens einen an Rest Atomknow-how im Land.
Schulze hingegen möchte in Zukunft stärker aufs Ausland einwirken. Angesichts anstehender Laufzeitverlängerungen von Kraftwerken, etwa in Frankreich, kündigte sie zum Zwecke der klareren Positionierung einen Schulterschluss mit atomkritischen Staaten an. Sie respektiere zwar die Energiesouveränität anderer Länder, so Schulze, „aber mir bereitet die zunehmende Überalterung der europäischen Atomkraftwerke große Sorge“.
Weil die aber gerade in Grenzgebieten für die deutsche Sicherheit besonders relevant seien, hält Fdp-umweltexpertin Judith Skudelny Schulzes Strategie für falsch. „Wir müssen nicht mit den atomkritischen Ländern reden, die sowieso auf unserer Seite sind, sondern mit den Pro-atomländern in einen konstruktiven Dialog treten.“Das aber könne mit Schulzes provokativem Auftreten nicht gelingen.igor