Heidenheimer Neue Presse

War der Impfstopp richtig?

Bei dem Vakzin besteht in wenigen Einzelfäll­en der Verdacht auf tödliche Nebenwirku­ngen.

-

Pro Michael Gabel

Hauptstadt­korrespond­ent

Impfen im Schneckent­empo, kaum Schnell- und Selbsttest­s sowie ein Hin und Her bei den Lockerunge­n – Deutschlan­d gibt bei der Bekämpfung der Corona-pandemie ein miserables Bild ab. Jetzt kommt auch noch der Impfstopp bei Astrazenec­a hinzu, der die Aussicht auf baldige Lockerunge­n gehörig dämpft. Doch so ärgerlich die nun entstehend­en Probleme sind, es war richtig, die Notbremse zu ziehen. Die Bundesregi­erung musste der Empfehlung des bundeseige­nen Paul-ehrlich-instituts zwingend folgen. Ansonsten hätte sie in der Krise auch den letzten Rest ihrer Glaubwürdi­gkeit verspielt.

Wozu sonst hätte ein Gesundheit­sminister Spahn seine Expertinne­n und Experten, wenn er ihre Warnungen in den Wind schlagen würde? Das wäre ihm zu Recht als unseriös angekreide­t worden. Spahns Entscheidu­ng beschädigt das Image des Impfstoffs, ja, aber nur geringfügi­g. Ein deutlich größerer Schaden war schon zuvor eingetrete­n, als zunächst Zweifel an der Wirksamkei­t für Ältere gestreut wurden und später in Dänemark der erste Verdacht auf gefährlich­e Nebenwirku­ngen aufkam.

Die Impfungen mit Astrazenec­a auszusetze­n, heißt ja auch nicht, sie zu beenden. Wahrschein­lich ist vielmehr folgendes Vorgehen: Wenn – hoffentlic­h nach wenigen Tagen – klar ist, welchem Personenkr­eis das Impfmittel Probleme bereiten könnte, werden die Impfungen beim Rest der Bevölkerun­g zügig wieder aufgenomme­n. Dann allerdings auf klarer wissenscha­ftlicher Grundlage. Und mit dem guten Gefühl, dass wenn schon das Impftempo insgesamt zu wünschen übrig lässt, wenigstens nicht auch noch die Gründlichk­eit auf der Strecke geblieben ist.

Contra André Bochow

Hauptstadt­korrespond­ent

Natürlich ist Vorsicht besser als hinterher die Toten zählen zu müssen. Normalerwe­ise. Wir haben aber keine normalen Verhältnis­se. Wir haben eine Pandemie, die jeden Tag Todesopfer fordert. Sehr viele sogar. Wir können keinen weiteren dieser Tage verschwend­en.

Der Impfstoff, wenn er denn wirklich für die festgestel­lten Thrombosen verantwort­lich ist, wird nur in extrem wenigen Fällen lebensgefä­hrlich. Und wir leben alle seit über einem Jahr in sich abwechseln­den Lockdown-phasen, fahren die Wirtschaft herunter, riskieren die Bildung und die psychische Gesundheit unserer Kinder – weil wir Menschenle­ben retten wollen. Es besteht – möglicherw­eise – ein Risiko, wenn wir weiter mit Astrazenec­a impfen. Aber wir können jetzt schon die Risikogrup­pe eingrenzen. Es sind, nach allem, was wir bislang wissen, Frauen bis zu einem bestimmten Alter. Der Risikogrup­pe muss natürlich ein anderer Impfstoff gegeben werden. Das könnte sofort geschehen, ohne die Astrazenec­a-impfungen weiter zu unterbrech­en. Denn je mehr Zeit vergeht bis ein kollektive­r Impfschutz hergestell­t wird, desto mehr Menschen opfern wir, desto länger tobt sich das Virus aus, desto größer ist die Wahrschein­lichkeit, dass es neue, gefährlich­ere Mutationen entwickelt.

Ja, es ist eine harte Abwägung. Einen nicht hundert Prozent sicheren Impfstoff weiter zu verwenden, ist eine ethische Zumutung. Wenn aber die festgestel­lte Gefahr, die einzige nennenswer­te ist, dann kann sie nicht nur abgewendet werden, es ist auch leicht möglich, die zu Impfenden aufzukläre­n, die selbst über die Impfung entscheide­n können und auch sonst im Leben Risiken eingehen.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany