Auf der Suche nach Leichtigkeit
Schuhe made in Baden-württemberg? Steffen Schmutz’ Unternehmen zeigt, wie damit Geld zu verdienen ist.
Die Wurzeln des Schuhproduzenten Vitaform reichen weit zurück. Bis in Zeiten, in denen Schuhe noch ein ziemlicher Luxusartikel waren. Wiesen sie durch steten Gebrauch Mängel auf, warf man sie keinesfalls gleich weg. Wieder und wieder brachte man sie zum Flicken und Neubesohlen dorthin zurück, wo sie hergestellt worden waren. In die Werkstatt von Friedrich Schwenk etwa, Schuhmacher im Dorf Feldstetten auf der Schwäbischen Alb und Ururgroßvater von Steffen Schmutz, dem geschäftsführenden Inhaber von Vitaform.
Heute seien Schuhe vieles andere mehr aber am wenigsten ein Luxusprodukt. „Eher schon ein modisches Accessoire und ein Statement für eine Person“, sagt Schmutz. Und natürlich spiele auch der gesundheitliche Aspekt eine große Rolle. Damit ist bereits in knapper Form die Idee umrissen, die hinter dem Sortiment und den Kollektionen des Schuhherstellers steckt: das Modische mit dem Nützlichen verbinden, Bequemlichkeit mit dem Trendigen versöhnen. Auch Menschen mit orthopädischen Auffälligkeiten werden hier mit ziemlicher Sicherheit fündig.
185 Schuhmodelle für Damen und 60 für Herren stehen im aktuellen Sortiment zur Auswahl. Ein Produzent in einer Nische ist Vitaform trotzdem. Allein schon durch die Zugehörigkeit zu einer
Branche, deren beste Zeiten in Deutschland schon lange vorüber sind. Nur noch fünf Prozent der hierzulande verkauften Schuhe stammen von heimischen Produzenten, hat das Bundeswirtschaftsministerium ermitteln lassen. Bedeutet umgerechnet noch einen jährlichen Absatz von 20 Millionen Paar Schuhe, bei einem Gesamtmarkt von rund 400 Millionen. 87 Prozent der Arbeitsplätze gingen seit 1970 verloren.
Vitaform sucht hinggeen Mitarbeiter, „wir sind auf Wachstum orientiert“, erklärt Schmutz. Ein „leichtes Plus“sei sogar im Corona-jahr 2020 gelungen. Besonders händeringend suche er „kreative Köpfe“, Programmierer, It-ler. Welten trennen den Hersteller von der kleinen Werkstatt des Ururgroßvaters,
der wie sein Sohn und Nachfolger Christian Schwenk noch eine kleine Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieb, um das Auskommen zu sichern.
Das Schuhmacher-gen vererbte sich später auf die Eltern des jetzigen Chefs. „Mein Vater war Teilhaber einer örtlichen Schuhfabrik“, erzählt Steffen Schmutz. Es kam zur Trennung. „Eines Tages standen in unserem Keller plötzlich Maschinen, Paletten, Schachteln.“Im Oktober 1982 hoben die Eheleute Ewald und Ruth Schmutz Vitaform aus der Taufe. Die Mutter erledigte das Kaufmännische, Handelsvertreter legten Vertriebswege.
Der Einzelhandel spiele noch immer eine Rolle im Vertrieb, längst aber nicht mehr die alleinige. Weitere wichtige Standbeine seien der Fabrikverkauf und der eigene Online-shop. Es gebe aber nach wie vor einen gedruckten Katalog und in Berlin sogar einen eigenen Store. Er sei ein Entgegenkommen an die zahlreichen Kunden dort. Darüber hinaus setzt Vitaform stark auf Teleshopping, „da sind wir in fünf Ländern unterwegs“. Rund ein Drittel der Produktion gehe in den Export. Japan, Italien und England seien die größten Auslandsmärkte.
Längst noch nicht vollständig beantwortet ist damit die Frage, was Vitaform besser macht als andere Schuhhersteller, die längst verschwunden sind. Schmutz nennt einige Punkte: Die gut strukturierten Prozesse zählen dazu. Die hohe Schlagzahl mit bis zu 25 Neuheiten pro Monat ebenfalls. Die genaue Beobachtung der Trends sei Pflicht, der modischen wie der technischen.
Was Schuhe noch leichter und bequemer mache, komme in den Fokus. Innovationen bei den Sohlen stoßen ebenso auf Interesse wie bislang von der Schuhindustrie unentdeckte Materialien wie das Hirschleder. Mit dem landete das Unternehmen etwa vor elf Jahren einen Volltreffer, nachdem Schmutz es auf einer Fachmesse entdeckte.
Messebesuche seien Pflichttermine. Sehr wichtig sei auch die Stammkundenpflege und der Service. „Die persönliche Kundenansprache, das macht den Unterschied“, ist Schmutz überzeugt. Es komme schon mal vor, dass er selbst bei einem Kunden anrufe. Den Erkenntnisgewinn aus solchen Gesprächen solle man nicht unterschätzen.
Schuhe sind heute weniger Luxusobjekte, sondern viel mehr Accessoires.