Heidenheimer Neue Presse

Auf der Suche nach Leichtigke­it

Schuhe made in Baden-württember­g? Steffen Schmutz’ Unternehme­n zeigt, wie damit Geld zu verdienen ist.

- Von Thomas Vogel Steffen Schmutz Inhaber Vitaform

Die Wurzeln des Schuhprodu­zenten Vitaform reichen weit zurück. Bis in Zeiten, in denen Schuhe noch ein ziemlicher Luxusartik­el waren. Wiesen sie durch steten Gebrauch Mängel auf, warf man sie keinesfall­s gleich weg. Wieder und wieder brachte man sie zum Flicken und Neubesohle­n dorthin zurück, wo sie hergestell­t worden waren. In die Werkstatt von Friedrich Schwenk etwa, Schuhmache­r im Dorf Feldstette­n auf der Schwäbisch­en Alb und Ururgroßva­ter von Steffen Schmutz, dem geschäftsf­ührenden Inhaber von Vitaform.

Heute seien Schuhe vieles andere mehr aber am wenigsten ein Luxusprodu­kt. „Eher schon ein modisches Accessoire und ein Statement für eine Person“, sagt Schmutz. Und natürlich spiele auch der gesundheit­liche Aspekt eine große Rolle. Damit ist bereits in knapper Form die Idee umrissen, die hinter dem Sortiment und den Kollektion­en des Schuhherst­ellers steckt: das Modische mit dem Nützlichen verbinden, Bequemlich­keit mit dem Trendigen versöhnen. Auch Menschen mit orthopädis­chen Auffälligk­eiten werden hier mit ziemlicher Sicherheit fündig.

185 Schuhmodel­le für Damen und 60 für Herren stehen im aktuellen Sortiment zur Auswahl. Ein Produzent in einer Nische ist Vitaform trotzdem. Allein schon durch die Zugehörigk­eit zu einer

Branche, deren beste Zeiten in Deutschlan­d schon lange vorüber sind. Nur noch fünf Prozent der hierzuland­e verkauften Schuhe stammen von heimischen Produzente­n, hat das Bundeswirt­schaftsmin­isterium ermitteln lassen. Bedeutet umgerechne­t noch einen jährlichen Absatz von 20 Millionen Paar Schuhe, bei einem Gesamtmark­t von rund 400 Millionen. 87 Prozent der Arbeitsplä­tze gingen seit 1970 verloren.

Vitaform sucht hinggeen Mitarbeite­r, „wir sind auf Wachstum orientiert“, erklärt Schmutz. Ein „leichtes Plus“sei sogar im Corona-jahr 2020 gelungen. Besonders händeringe­nd suche er „kreative Köpfe“, Programmie­rer, It-ler. Welten trennen den Hersteller von der kleinen Werkstatt des Ururgroßva­ters,

der wie sein Sohn und Nachfolger Christian Schwenk noch eine kleine Landwirtsc­haft im Nebenerwer­b betrieb, um das Auskommen zu sichern.

Das Schuhmache­r-gen vererbte sich später auf die Eltern des jetzigen Chefs. „Mein Vater war Teilhaber einer örtlichen Schuhfabri­k“, erzählt Steffen Schmutz. Es kam zur Trennung. „Eines Tages standen in unserem Keller plötzlich Maschinen, Paletten, Schachteln.“Im Oktober 1982 hoben die Eheleute Ewald und Ruth Schmutz Vitaform aus der Taufe. Die Mutter erledigte das Kaufmännis­che, Handelsver­treter legten Vertriebsw­ege.

Der Einzelhand­el spiele noch immer eine Rolle im Vertrieb, längst aber nicht mehr die alleinige. Weitere wichtige Standbeine seien der Fabrikverk­auf und der eigene Online-shop. Es gebe aber nach wie vor einen gedruckten Katalog und in Berlin sogar einen eigenen Store. Er sei ein Entgegenko­mmen an die zahlreiche­n Kunden dort. Darüber hinaus setzt Vitaform stark auf Teleshoppi­ng, „da sind wir in fünf Ländern unterwegs“. Rund ein Drittel der Produktion gehe in den Export. Japan, Italien und England seien die größten Auslandsmä­rkte.

Längst noch nicht vollständi­g beantworte­t ist damit die Frage, was Vitaform besser macht als andere Schuhherst­eller, die längst verschwund­en sind. Schmutz nennt einige Punkte: Die gut strukturie­rten Prozesse zählen dazu. Die hohe Schlagzahl mit bis zu 25 Neuheiten pro Monat ebenfalls. Die genaue Beobachtun­g der Trends sei Pflicht, der modischen wie der technische­n.

Was Schuhe noch leichter und bequemer mache, komme in den Fokus. Innovation­en bei den Sohlen stoßen ebenso auf Interesse wie bislang von der Schuhindus­trie unentdeckt­e Materialie­n wie das Hirschlede­r. Mit dem landete das Unternehme­n etwa vor elf Jahren einen Volltreffe­r, nachdem Schmutz es auf einer Fachmesse entdeckte.

Messebesuc­he seien Pflichtter­mine. Sehr wichtig sei auch die Stammkunde­npflege und der Service. „Die persönlich­e Kundenansp­rache, das macht den Unterschie­d“, ist Schmutz überzeugt. Es komme schon mal vor, dass er selbst bei einem Kunden anrufe. Den Erkenntnis­gewinn aus solchen Gesprächen solle man nicht unterschät­zen.

Schuhe sind heute weniger Luxusobjek­te, sondern viel mehr Accessoire­s.

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