Einsame Entscheidung
Noch knapp 40 Tage. Dann müssten die Us-truppen eigentlich raus sein aus Afghanistan – und mit ihnen die internationalen Verbündeten einschließlich Deutschland. So jedenfalls ist es verabredet im Abkommen mit den Taliban. Doch tatsächlich erwartet fast niemand mehr, dass das Abzugsdatum 1. Mai eingehalten werden wird. Wohl nicht einmal die afghanischen Taliban selbst.
Was aber stattdessen der Plan ist, weiß niemand – und das ist ein Problem. Zum einen natürlich ganz praktisch-organisatorisch, gilt es doch für sämtliche beteiligte Armeen, die Logistik der Rückkehr von Mensch und Material zu planen. Zum anderen aber auch politisch, denn der vielbeschworene Nato-wahlspruch „gemeinsam rein – gemeinsam raus“soll ja mehr bedeuten als eine zeitliche Parallele.
Dabei ist längst klar: Die Entscheidung über Bedingung, Umfang und Zeitpunkt des Abzugs fällt einzig und allein in Washington. Das ist natürlich Folge der überwältigenden militärischen Macht der USA, ohne die am Hindukusch alle übrigen Nationen aufgeschmissen wären. Das ist aber auch Folge einer amerikanischen Haltung, trotz aller Bekenntnisse der Regierung von Joe Biden zum Multilateralismus. Der neue Us-außenminister Antony Blinken versprach bei seinem ersten Treffen mit den Nato-kollegen in Brüssel zwar, „zuzuhören und Beratungen zu führen“. Das ist immerhin ein bisschen mehr als unter Donald Trump üblich war. Aber mit dieser freundlichen Rhetorik werden sich die anderen Nationen begnügen müssen. In Sachen Afghanistan lässt sich Washington nicht in die Karten gucken. Und reinreden schon mal gar nicht.