Von der Oster-kehrtwende überrascht
Die Sondersitzung entwickelt sich zu einer historischen Debatte mit Live-charakter
Die Landesregierung soll die neuen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) beschlossenen Anticorona-maßnahmen umsetzen. Das hat der Landtag in einer Sondersitzung beschlossen. Die Nachricht, dass die angekündigte Osterruhe nicht stattfinden werde, hatte die Parlamentarier zuvor in der Debatte überrascht.
Kaum hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Beschlüsse der MPK grob erläutert, bat er um Nachsicht, dass er sich in wenigen Minuten wieder zurückziehen müsse: Kanzlerin Angela
Stuttgart.
Merkel (CDU) habe erneut zur Online-konferenz gebeten.
Während Cdu-fraktionschef Wolfgang Reinhart zu den Maßnahmen sprach, sickerte die neue Sachlage durch. „Im Grunde genommen kann ich Ihnen hier jetzt live berichten“, sagte Reinhart: „Ich höre soeben, dass die bisher vorgesehene Osterruhe in dieser Form anscheinend gar nicht aufrechterhalten wird.“
„Ich freue mich, in einer im Grunde historischen Debatte im Landtag von Baden-württemberg das Wort ergreifen zu dürfen“, stichelte Fdp-fraktionschef Hansulrich Rülke. „Denn ich habe die einmalige Gelegenheit, zu einem Thema zu reden, von dem keiner im Haus heute weiß, worum es geht.“
Nach seiner Rückkehr nannte Kretschmann zwei Hauptgründe für die Kehrtwende. Erstens hätte die Osterruhe über das Bundes-infektionsschutzgesetz geregelt werden sollen. „Das hat sich jetzt bei der rechtlichen Prüfung als nicht machbar herausgestellt.“Zweitens wäre die Osterruhe für die Lieferketten vieler Betriebe so rasch nicht umsetzbar gewesen. „Wir müssen auch in schweren Krisen so arbeiten, dass die Dinge gut vorbereitet sind.“
Das sei hier nicht ausreichend der Fall gewesen, sagte Kretschmann. „Deswegen möchte ich mich noch einmal bei Ihnen allen und bei der Bevölkerung dafür entschuldigen.“Die übrigen Maßnahmen sollen von Montag an gelten.
Vertreter von SPD und FDP zeigten sich im Anschluss gnädig. Spd-fraktionschef Andreas Stoch sagte, niemand sei vor Fehlern gefeit; es sei gut, sie möglichst schnell zu korrigieren. Fdp-fraktionschef Hans-ulrich Rülke sagte, man nehme die Information und auch die Entschuldigung „mit Respekt“zur Kenntnis.
Stoch warnte, es sei wichtig, nicht ständig Versprechungen zu machen, die dann nicht eingelöst werden könnten, wie etwa beim Impftempo, Testungen oder Feiertagslockerungen. Man brauche verlässliche Perspektiven. Rülke kritisierte, das Hauptproblem der Beratungen in Berlin sei die Fixierung auf Inzidenzwerte.
Afd-chef Bernd Gögel nannte die Debatte die größte Farce der Nachkriegsgeschichte des Landtags, verlangte den Rücktritt der Bundeskanzlerin und sagte, das Land hätte bei einer so undurchdachten Entscheidung selbstbewusst ausscheren sollen.