Der Giengener Jürgen Knaub hat intensiv Hilfe geleistet.
Jürgen Knaub aus Giengen leistete Nachbarschaftshilfe der intensiven Art. Er bewahrte einen Bekannten davor, vom Dach zu stürzen. Nun will er für mehr Zivilcourage einstehen.
Jürgen Knaub wird den 13. Februar 2021 Zeit seines Lebens nicht vergessen. Das Gefühl der Panik und die dramatischen Bilder haben sich in sein Gedächtnis gebrannt. Was geschah an jenem Tag? Zusammen mit seiner Frau wohnt er in einem Mehrfamilienhaus in der Memminger Wanne in Giengen. Schon den gesamten Vormittag über vernahm er immer wieder laute Geräusche aus der Nachbarwohnung – an sich nichts Ungewöhnliches. Als er sich im Badezimmer aufhielt, um sich für einen Spaziergang zu richten, hörte er plötzlich ein Plärren von außerhalb der Wohnung. Als er aus dem Dachfenster sah, traute er seinen Augen nicht. Sein Nachbar, den er bereits seit 25 Jahren kennt, lag bäuchlings auf dem Dach. Dieser war wohl aus seinem Dachfenster geklettert und schien nicht bei klarem Verstand zu sein. Die Erkenntnis traf Knaub wie ein Schlag: Aus eigener Kraft konnte es sein Nachbar nicht wieder zurückschaffen, und er selbst war zu weit weg, um ihn zu packen. Deshalb wies er seine Frau an, einen Notruf abzusetzen.
Mehrere Meter in die Tiefe
Bis die Einsatzkräfte eintrafen, redete Knaub auf seinen Bekannten ein. Währenddessen suchte er fieberhaft nach einer Möglichkeit, wie er verhindern konnte, dass der Mann einige Meter in die Tiefe fällt. „Es kam mir vor wie Stunden, bis ich endlich Sirenen und Blaulicht wahrnahm“, erzählt Jürgen Knaub. Offenbar fanden die Polizisten und Sanitäter auf die Schnelle auch keine Alternative, an den Betroffenen heranzukommen. Sie sollen gerade dabei gewesen sein, Matratzen aus dem Inneren des Hauses nach unten zu schaffen, um den scheinbar unvermeidlichen Aufprall abzufedern, als der Mann auf den schneebedeckten Dachziegeln ins Schlittern kam. Er stoppte erst mit den Füßen in der Dachrinne. Der Mann drohte erneut und endgültig abzurutschen, doch Jürgen Knaub bekam seinen Nachbarn an den Schultern zu fassen und machte sich dann die Hebelwirkung zunutze. Mit seinen Füßen zur
Mithilfe auffordern.
und sich Täter-merkmale einprägen. Wie sah der Täter aus? Welche Kleidung trug er? Wohin ist er gegangen?
110 organisieren. Wichtig ist es, die Situation kurz und bündig zu schildern: Wo ist das Ereignis? Wer ruft an? Was ist geschehen? Wie viele Betroffene? Auch auf eventuelle Rückfragen warten.
kümmern. Erste Hilfe kann lebenswichtig sein.
zur Verfügung stellen: Mit einer Aussage trägt man dazu bei, dass die Straftat aufgeklärt werden kann.
Ein weiterer Gedanke ist ihm ebenfalls schon in den Sinn gekommen: Vielleicht hatte er den schlimmen Autounfall vor etwa einem Jahr auch deshalb überlebt, um seinem Nachbarn in einer sehr kritischen Situation beizustehen.
Retter hatte schlimmen Unfall
Hatte Knaub keine Angst, sich beim Rettungsversuch zu verletzen – schließlich war er „vorbelastet“, da er sich bei dem Unfall drei Wirbel gebrochen hatte – oder dabei gar selbst aus dem Fenster gezogen zu werden? „Das war mir in diesem Moment egal.“Ein paar Tage danach bemerkte er einige blaue Flecken an seinem Körper, die wahrscheinlich davon herrührten, als er sich am Fensterrahmen abgestützt hatte, um den Mann in die Wohnung zu ziehen. Das Wichtigste für den Giengener ist jedoch, dass alles nochmal gut gegangen ist und alle Beteiligten wohlauf sind.
Angehörige des Betroffenen haben sich direkt nach dem Vorfall bei dem Retter bedankt, Einsatzkräfte sollen ihm anerkennend auf die Schulter geklopft haben. Der Gerettete hat sich zunächst nicht getraut, ihm persönlich zu danken. „Ich habe später einen Zettel mit ehrlichen und lieben Worten an meiner Wohnungstür gefunden. Eine charmante Geste.“
Als positives Beispiel voran
Indem Knaub sein Erlebnis mit der Öffentlichkeit teilt, möchte er nun nicht als Held gefeiert werden, sondern seine Mitmenschen zu mehr Zivilcourage ermutigen. Frei nach dem Motto: Hinsehen und helfen statt wegsehen. „Wenn jeder nach seinem Nächsten schaut, ist doch jedem geholfen.“Dabei muss es nicht immer um Leben und Tod gehen. Man könne schon durch kleine Taten die Welt etwas besser machen, so Knaub. Neulich hat er beobachtet, wie eine Frau mitten auf einer vielbefahrenen Straße eine Autopanne hatte und es sich hinter ihr ein Stau bildete. Mehrere Fahrer sollen sie einfach genervt überholt haben, bis sich welche erbarmten und ihren Wagen auf die Seite rollten, sodass der Verkehr bis zum Eintreffen des Abschleppdienstes wieder fließen konnte. „Hätte man ihr früher geholfen, hätte man den Stau vermeiden können.“
Mit seiner abenteuerlichen Geschichte mit einem Happy End möchte er darüber hinaus einen Lichtblick in der oft düsteren Corona-zeit geben. „Gerade hört und sieht man viel Negatives. Doch es geschehen auch noch gute Dinge.“