Wie Schulen ihre digitale Zukunft planen
An der Eugen-gaus-realschule wird der Fernunterricht auch als Chance begriffen: Die Schulleitung nutzt die Erfahrungen für ein digitales Zukunftskonzept.
Der digitale Fernuntericht kam plötzlich und ungeplant. Wie Schulen trotzdem davon profitieren können, zeigt die Schulleitung der Eugen-gaus-realschule.
Auf den Gängen der Eugen-gaus-realschule (EGR) ist es ruhig. Viel zu ruhig für einen Vormittag, an dem keine Ferien sind. Die meisten Schüler sind zu Hause im Fernunterricht, nur die Abschlussklassen und eine Notbetreuung mit jüngeren Schülern belegen einige Klassenzimmer. Die Schule ist digital geworden, durch die Corona-pandemie quasi über Nacht. Dass der Online-unterricht gut funktioniert, kann man aber erst jetzt sagen, ein Jahr nach der ersten Schulschließung. Denn Digitalisierung war bis 2020 eher ein Orchideen-thema, das nur einige technisch interessierte Lehrer vorangetrieben haben. „Vor der Pandemie haben wir immer nur digitale Trockenschwimm-übungen gemacht“, sagt Egr-schulleiter Gerd Bäuerle. Jede Annäherung an das Thema sei ausgebremst worden davon, dass alles immer viel zu lang gedauert habe und die Ausstattung fehlte.
Vom Messenger zu Moodle
Zu Anfang der Schulschließungen im März 2020 hat man sich an der EGR mit einem Messenger-dienst beholfen, um Aufgaben zu verschicken und den Kontakt zwischen Lehrern und Schülern zu halten. Im Oktober 2020 wurde Moodle für die Schule installiert, danach haben die Lehrer begonnen, sich in die Bildungsplattform einzuarbeiten, in der man sowohl Materialien austauschen als auch Online-unterricht via Big Blue Button halten kann.
Die Einführung dieser etablierten Software hat so lange gedauert, weil die Schule bis dahin einige Hürden zu überwinden hatte. Bis März 2021 gab es beispielsweise im Schulhaus kein W-lan, sondern nur Lan-anschlüsse und Laptops in einigen Klassenzimmern. Für IT stehen der Schule zwei Stunden pro Woche zur Verfügung, „damit kann man keine Schule mit 650 Schülern betreuen, das hat die Dimension eines mittelständischen Unternehmens“, sagt Rektor Bäuerle.
Tablets für die Schüler
Auch dienstliche Arbeitsgeräte gibt es für die Lehrer bisher nicht, die Beschaffung soll aber demnächst von der Stadt ausgeschrieben werden. Im Januar wurden der Schule von der Stadt 115 Tablets für die Schüler zur Verfügung gestellt, weitere 100 Geräte hat die Hanns-voith-stiftung der Schule finanziert. Nur 35 dieser Endgeräte seien momentan an Schüler ausgeliehen, die diese für den Fernunterricht brauchen, berichtet Gerd Bäuerle.
Zusammen mit Roland Zeitler, dem stellvertretenden Schulleiter, arbeitet Bäuerle nun an einem Konzept für die Einbindung von digitalen Elementen in den Präsenzunterricht, wenn dieser wieder möglich ist. „Wir nutzen quasi dieses Schuljahr als Spielwiese, um Erfahrungen zu sammeln“, meint Zeitler. Das Vorgehen des Konrektors ist aber keineswegs spielerisch, sondern sehr strukturiert: „Ich bin ein leidenschaftlicher Projektmanager“, sagt der Pädagoge. So hat er einen großen Zeitplan erstellt, in dem wochenweise die geplanten Schritte in verschiedenen Bereichen eingetragen sind. Der Plan reicht bis ins kommende Schuljahr hinein, berücksichtigt werden beispielsweise die Bereiche „Medienentwicklungsplan“, „Moodle“, „Schul-tablets“oder „Pädagogische Konzepte“.
Im Unterricht nutzen
Die digitale Entwicklung, die jetzt aus der Not heraus so einen kräftigen Anschub erhalten hat, wird nach der Pandemie nicht wieder versanden, da sind sich Roland Zeitler und Gerd Bäuerle sicher. „Wir wollen natürlich nicht weiterhin nur digital unterrichten, aber den Mehrwert, den unsere Tablets bieten, werden wir auf jeden Fall nutzen“, sagt er. So soll es im Mai eine Gesamtlehrerkonferenz geben, die den Startschuss für die pädagogische Arbeit mit den Tablets darstellt. Danach soll in den verschiedenen Fachgruppen der Schule erarbeitet werden, welche digitalen Inhalte und Apps im Unterricht genutzt werden können.
Lektüre künftig als E-book?
„Der Schüler rückt dadurch mehr in den Mittelpunkt“, meint Roland Zeitler. Die Tablets würden die Möglichkeiten bieten, Schüler auf ihrem jeweiligen Leistungsniveau abzuholen und individuell an Aufgaben arbeiten zu lassen. Man könne Lehrvideos in den Unterricht einbinden oder die Schüler anleiten, wie man zu bestimmten Themen sinnvoll im Internet recherchiert. „Man kann natürlich auch überlegen, ob wir als Schule noch jedes Buch für die Schüler kaufen müssen oder Lektüre
künftig als E-book anbieten“, sagt Gerd Bäuerle.
IT als Profilzug
Aber auch in Hinblick auf das spätere Berufsleben kann das Lernen mit digitalen Mitteln und das Wissen im It-bereich von Vorteil sein: „Wir wissen durch unsere Kontakte in der Berufsorientierung, dass die Wirtschaft sich das durchaus wünscht“, so Bäuerle. Die Leitung der EGR plant außerdem, einen Profilzug IT an der Schule einzurichten. „Diesen könnten Schüler ab der Klasse 8 wählen und würden sich intensiver mit Medienbildung und Informatik auseinandersetzen“, erläutert Roland Zeitler.
Die beiden Pädagogen wirken euphorisch angesichts der neuen Perspektiven, die ihnen Corona als Nebeneffekt eröffnet hat. Anfangs habe man befürchtet, bei einigen Lehrern auf Widerstand gegen die Neuerungen zu stoßen. „Aber wir haben offene Türen eingerannt“, sagt Gerd Bäuerle.