Ausgezeichnetes Beispiel für gelungene Inklusion
Für Marco Märsch aus Herbrechtingen wurde bei der Heidenheimer Firma Code’n’ground ein völlig neuer Job geschaffen. Weil dies ein gelungenes Beispiel für Inklusion ist, erhielten Firma und Mitarbeiter den Impact-of-diversity-award.
Für die Art und Weise, wie für Marco Märsch ein eigener Job geschaffen wurde, erhielt eine Heidenheimer Firma den Impact-of-diversity-award.
Stolz präsentiert Marco Märsch seine Trophäe des Impact-of-diversityawards. Mit diesem Preis werden bundesweit Konzepte und Personen ausgezeichnet, die sich für mehr Vielfalt in der Gesellschaft einsetzen. Gemeinsam mit seinem Arbeitgeber Code’n’ground, ein Digitalisierungsunternehmen in Heidenheim, hat der Herbrechtinger in der Kategorie „Inclusion Champion“, übersetzt Inklusionsmeister, gewonnen. Die Begründung der Jury: Viele Firmen haben Hemmungen, Menschen mit Behinderung einzustellen. Code’n’ground hat gezeigt, wie es anders gehen kann, indem man eine ganz neue Stelle geschaffen hat. „Ein wirklich gelungenes Beispiel für Inklusion“, so die Jury.
Meetings und Events
Seit April 2020 ist Marco Märsch als sogenannter Feelgood-manager für das It-unternehmen tätig. In dieser Funktion plant und organisiert er Firmen-events und protokolliert die täglichen Meetings. „Dabei schätzen wir, dass Marco die Themen auf seine eigene Art und Weise wahrnimmt. Das fördert die Selbstreflexion des Teams und regt die Kreativität an“, erläutert Sandra Haas von Code’n’ground. Ihr Mann und Vorstandsmitglied Armin Haas: „Es ist ein Prozess, weitere Aufgaben für Marco zu finden, bei denen er seine Stärken einbringen kann.“
Als Diversity-manager vertritt Haas die Ansicht, dass Vielfalt einen Mehrwert für die Firma bringt. Bei Diversität gehe es allerdings nicht nur darum, Menschen mit unterschiedlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten einzubeziehen, sondern auch mit verschiedener Herkunft, Alter, sexueller Orientierung und so weiter. Deshalb beschäftigt Code’n’ground Mitarbeiter aus über 15 Nationen, darunter Flüchtlinge und ehemalige Langzeitarbeitslose.
Mit einem Praktikum ging es los
Kennengelernt haben sich Märsch und das Ehepaar Haas vor Corona bei einer privaten Veranstaltung und hatten von Beginn an einen Draht zueinander. „Irgendwann
hat Marco beschlossen, ein Praktikum bei uns zu machen“, erzählt Armin Haas lachend. Gesagt, getan. Aus dem Praktikum ist dann eine Anstellung mit flexiblen Arbeitszeiten geworden, um Arztbesuche und Physiotherapietermine wahrzunehmen – getreu dem Work-life-care-prinzip der Firma.
Marcos Mutter Petra zufolge ist ihr Sohn Feuer und Flamme für seinen Job. „Bei der Arbeit darf ich ihn dann auch nicht stören“, so die Mutter in gespielt ernstem Ton. Wegen Corona ist momentan Home-office angesagt.
Auf den Impact-of-diversity-award ist Sandra Haas per Zufall im Internet gestoßen und war schnell davon überzeugt, dass Marco der perfekte Kandidat ist. Als Zweiergespann haben sie sich um die Bewerbung gekümmert und um Stimmen fürs Online-voting
bemüht, das bei der Platzierung mitentscheidend war. Besonders in den sozialen Medien hat der Herbrechtinger die Werbetrommel gerührt. Mit Erfolg. „Allein schon zu erfahren, dass Marco unter den Finalisten ist, hat uns sehr gefreut“, erzählt Petra Märsch.
Sie bedauert zwar, dass die Verleihung in Berlin wegen Corona nicht als Präsenzveranstaltung stattfinden konnte, aber auch die Online-übertragung war für ihren Sohn und sie selbst ein absolutes Highlight. Während des Live-streams, den die Familie von zu Hause aus verfolgte, erhielten sie Handy-nachrichten von Verwandten, Freunden und Bekannten,
die ebenfalls zuschauten. „Dass Marco dann tatsächlich gewonnen hat, war ein sehr emotionaler Moment und ist es noch immer.“Mit dem Job bei Code’n’ground und dem Preis sei der Kampf belohnt worden, diese Wertschätzung könne man mit keinem Geld der Welt aufwiegen, so die Mutter.
Zwei Hirn-ops hinter sich
Bei Marco wurde unter anderem Dystonie diagnostiziert. Eine neurologische Bewegungsstörung, die durch unwillkürliche Muskelkontraktionen gekennzeichnet ist. Diese zwingen bestimmte Körperteile zu wiederholten Verdrehbewegungen oder schmerzhaften Haltungen. 2017 und 2018 musste er sich jeweils einer Hirn-op unterziehen und saß eine Zeitlang im Rollstuhl. Da man häufig keine Ursache für die Dystonie entdeckt, so auch bei Marco, ist die Erkrankung in der Regel nicht heilbar. Deshalb kann man sich bei der Therapie nur darauf beschränken, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. „Doch Marco hat nie gejammert oder seine positive Energie verloren.“Vermutlich sind dessen Fortschritte auch seiner Einstellung zu verdanken – in jedem Fall aber den Ärzten und dem Hegau-jugendwerk in Gailingen, einem Rehabilitationszentrum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.
Genaue Stimmenzahl unklar
Wie viele Stimmen der 30-Jährige letzten Endes sammeln konnte, würde das Team um Marco interessieren. Man weiß jedoch nur, dass insgesamt knapp 61 000 Stimmen abgegeben wurden. „Es würde mich nicht wundern, wenn 60 000 davon auf sein Konto gehen“, scherzt Armin Haas. Zum einen sei sein Feelgood-manager gut vernetzt, da es ihm sehr leicht falle, Freundschaften zu schließen, zum anderen habe er ein Talent dafür, Menschen nachhaltig zu begeistern und Mehrheiten zu bilden. Wichtiger als das Wahlergebnis sei, viele Nachahmer unter den Firmen in der Region und darüber hinaus zu finden, so Haas.