Glücklich, Musik machen zu dürfen
Oksana Lyniv ist die „Dirigentin der Stunde“. Vor ihrem Bayreuth-debüt gastiert sie in Ludwigsburg.
Sie war an der Bayerischen Staatsoper die Assistentin Kirill Petrenkos. Was die zierlich-mädchenhafte, unglaublich energievolle wie klangbewusste Oksana Lyniv drauf hat, zeigte sie dort etwa im Februar 2020, noch vor dem Lockdown, bei der Premiere von „Judith/herzog Blaubart“. Eine Dirigentin auf dem Weg zur Weltkarriere. Von 2017 an war die Ukrainerin drei Jahre lang Generalmusikdirektorin in Graz, dazu ein Debüt nach dem anderen, mit „Pique Dame“auch in Stuttgart. Jetzt steht der 43-Jährigen alles offen: Im Sommer leitet sie den „Fliegenden Holländer“der Bayreuther Festspiele – als erste Dirigentin nach 145 Jahren auf dem Grünen Hügel.
Fragen dazu, weshalb es so lange gedauert habe, bis Frauen in die Männerdomäne des Dirigierens vordringen, beantwortet sie „ungern“. In Deutschland hätten die Frauen in den 1970er Jahren noch nicht mal ein Bankkonto eröffnen dürfen: „Sie waren abhängig von ihrem Mann.“Entsprechend spielten früher auch keine Frauen in den großen Orchestern, geschweige denn, dass sie vor den Männern als Dirigentin standen. Ein allgemeines gesellschaftliches Problem also.
Ob Frauen ein Orchester anders als Männer leiten? „Jeder dirigiert anders, auch ein Dudamel völlig anders als ein Masur“, sagt die Ukrainerin. Und dann sagt sie lachend in einem Zoom-gespräch mit Jochen Sandig, dem Intendanten der Ludwigsburger Schlossfestspiele, und ein paar Journalisten, dass sich die Dirigentinnen gerade „wie Zirkusaffen“fühlten. „Ich möchte über die Musik sprechen oder darüber, ob ein Konzert gelungen ist oder nicht.“
An diesem Donnerstag, 6. Mai, 20 Uhr, steht Oksana Lyniv, „die Dirigentin der Stunde“(Sandig), am Pult des Orchesters der Ludwigsburger Schlossfestspiele und leitet das Eröffnungskonzert des
Klassik-festivals: zu erleben als Livestream (Arte Concert). Auf dem Programm: Beethovens „Pastorale“und Mahlers „Lied von der Erde“. Kein Publikum im Forum-theater? Oksana Lyniv ist glücklich, „überhaupt Musik machen zu dürfen“. In der ersten Probe des „Lieds von der Erde“hätten Anna Larsson und sie im ersten Satz „Der Einsame im Herbst“abbrechen müssen, „weil wir geweint haben“. Der Inhalt dieses Mahler-werks sei „so tief “, es erzähle von unserer Zeit: von Kummer und Freude, vom vom Sinn des Lebens und der Ewigkeit.