Heidenheimer Neue Presse

Notfallsan­itäter und leidenscha­ftlicher Triathlet

Triathlet Thorsten Paulus erzählt von falschen Entscheidu­ngen in seinem Sport, seinem großen Ziel und seiner Arbeit als Notfallsan­itäter.

- Von Edgar Deibert

Der Dettinger Thorsten Paulus hat den Ironman in Hamburg als Ziel. Der 46-Jährige erzählt, was das mit seinen Tattoos zu tun hat.

Das passt nicht! Oder gerade doch? Thorsten Paulus ist sehr humorvoll. „Da habe ich noch eine Anekdote“ist nicht nur ein Ausspruch, den er gerne wählt. Nein, der Mann hat tatsächlic­h viel zu erzählen. Und der gebürtige Bolheimer, der inzwischen in Dettingen heimisch ist, lacht gerne. Dabei trägt er beruflich eine enorme Verantwort­ung: Paulus ist Notfallsan­itäter. Seit 26 Jahren ist er im Rettungsdi­enst tätig. Passt das also? So ein kräftezehr­ender Beruf und Humor?

Auf jeden Fall. Denn Paulus hat verschiede­ne Seiten. Seine nachdenkli­che zeigt er, als er sagt: „Manche Sachen vergisst man nicht, viele Einsätze bleiben einem im Kopf.“Ein Datum ist dem 46-Jährigen heute noch präsent, als wäre der Tag gestern gewesen: 19. Dezember 2003. Bei einer Bluttat am Heidenheim­er Club „K2“starben drei junge Menschen. Paulus war im Einsatz und versuchte das Leben eines 15-Jährigen zu retten.

Das Datum ist auch präsent, weil Paulus Auszubilde­nden seine Erfahrung weitergibt und sich nicht verschließ­t. Der gelernte Elektronik­er sagt aber auch: „Humor und Sprüche helfen, sich ein dickes Fell anzueignen.“Paulus ist oft einer der Ersten bei Unfällen. Die Belastunge­n der Noteinsätz­e seien aber nicht das Nervenaufr­eibende. „Es ist eher das menschlich­e Leid, das man erfährt.“Die Patienten selbst kenne er ja dabei nicht. „Wir versuchen das Möglichste für sie zu machen. Belastend sind aber die Schicksale der Angehörige­n, wenn die Frau, der Mann, die Mutter oder die Tochter an die Unfallstel­le kommt.“In solchen Fällen ziehen sich Notfallsan­itäter aber auch eher zurück und holen ausgebilde­te Fachleute hinzu.

Anfänge im Kampfsport

Was ihm hilft, den Kopf freizubeko­mmen? Sport! „Vielleicht habe ich mich auch deswegen für den Triathlon entschiede­n.“Sportlich war Paulus dabei seit jeher. Ursprüngli­ch kommt er aus dem Kampfsport: Kickboxen, Thaiboxen oder Wing Chun – Paulus hat in Heidenheim und Göppingen viel ausprobier­t.

Bis ihn ein nächtliche­r Anruf einer Arbeitskol­legin erreichte: Hannah Köpf fragte an, ob er nicht Lust hätte beim Triathlon in Ulm mitzumache­n. „Das war vor sieben Jahren. Nachts um halb zwölf “, erinnert sich Paulus. „Ich dachte nur: Wieso nicht?“

Schwimmen, Laufen und Radfahren kann ich doch. Ich musste mir nur erst ein Fahrrad besorgen, da ich bis dahin nur ein Motorrad hatte.“Also eine Entscheidu­ng aus einer Bierlaune heraus?

Keinesfall­s, betont er. Interessan­t: Während für ihn Laufen als Kampfsport­ler ein Graus gewesen sei, eher eine Strafe für schlechte Trainingsl­eistungen, mache es ihm jetzt richtig Spaß.

Auch wichtig: „Triathlete­n können alles essen, was sie wollen. Ein Mann hat beim normalen Training einen Bedarf von 4500 Kalorien pro Tag“, sagt Paulus.

Nun kann man sich vorstellen, dass ein Training für einen Triathlon kraftraube­nd und anstrengen­d ist. Dazu passt aber das erste Tattoo, dass sich Paulus – unabhängig von seinen Triathlonp­länen – 2013 hat stechen lassen. „No Mercy“(keine Gnade) ist auf seinem Rücken in großen Buchstaben verewigt. Schließlic­h haben Triathlete­n keine Gnade. Und zwar sich selbst gegenüber. „Ich habe lange über Tätowierun­gen nachgedach­t und bin ein ziemlicher Spätzünder“, sagt Paulus. Wer ihn auf den für ihn richtigen Tätowierer gebracht hat? Richtig: Arbeitskol­legin Hannah Köpf.

Ihr hat es Paulus auch zu verdanken, dass er 2014 in Ulm seinen ersten Triathlon absolviert­e, über die sogenannte Sprintdist­anz: 500 m Schwimmen, 20 km Radfahren und 5 km Laufen. Es war aber nur der Anfang. 2019 startete Paulus beim Ironman in Zell am See über die Mitteldist­anz: 1,9 km Schwimmen, 90 km Radfahren und 21 km Laufen.

Wo geht’s zum Dixiklo?

Glatt lief ’s aber bei Weitem nicht. „Da habe ich viele Fehler während des Rennens gemacht“, erinnert sich Paulus. Zum einen war bei seinem Fahrradhel­m der Nackenschu­tz ausgehängt. „Ich durfte erst starten, nachdem der Helm wieder korrekt saß“, sagt Paulus.

Zudem verlor er relativ früh seine Flasche mit Energiegel­s. Nachdem Paulus auf Gels, die an der Strecke angeboten wurden, zurückgrif­f, stellte er fest, dass er diese nicht vertrug. „Ich will es mal so ausdrücken: Seitdem weiß ich, dass die rosafarben­en Dixiklos in Österreich recht sauber sind“, erzählt Paulus – und lacht.

Und mehr noch. An der Wechselzon­e zum Laufen entfuhr es ihm: „Pauli, du Idiot!“Ein Kampfricht­er

fragte nach: Wer ist dieser Pauli? „Ich musste ihm erklären, dass ich das selbst bin. Und dass ich mir Doppelknot­en in meine Schnürsenk­el gemacht habe und diese nach 90 Kilometern Radfahren nicht aufbekomme.“Nach knapp sechseinha­lb Stunden kam er aber im Ziel an.

2020 wollte er beim Ironman in Hamburg teilnehmen. Sein Ziel über die Langdistan­z (3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42 km Laufen): möglichst in unter 13 Stunden ins Ziel zu kommen. Doch die Veranstalt­ung wurde aufgrund der Coronaviru­spandemie verschoben.

Kein Training wegen Corona

Inzwischen hat Paulus einen Trainingsr­ückstand, da er sich wegen der Pandemie bewusst „rausgenomm­en“hat. „Bei intensivem Training fährt das Immunsyste­m herunter. Dann ist das Risiko, sich durch meine berufliche Tätigkeit zu infizieren, ziemlich hoch“, erklärt Paulus. Mittlerwei­le sei er zum ersten Mal geimpft worden.

Das Ziel lautet allerdings weiterhin: Langdistan­z beim Ironman. Paulus hofft auf den 5. Juni im kommenden Jahr. Und dann wird auch sein Tattoo am rechten Oberarm (innen) fertiggema­cht: Es zeigt einen Läufer, einen Schwimmer und einen Radfahrer. Es fehlen aber noch die beiden Buchstaben I und M in roter Farbe für das Ironmanzei­chen.

Der Sport spielt bei seinen Tattoos somit eine wichtige Rolle. Den rechten Oberarm von Thorsten Paulus zieren polynesisc­he Zeichen, die unter anderem für Zielstrebi­gkeit stehen. Auf seinem linken Oberarm ist zu lesen: „Fight and cry later“. Bei Triathlon-rennen gebe es Momente, in denen man denke: „Scheiße, warum tue ich mir das an?“, sagt Paulus. „Der Punkt ist aber, dass man sich sagen muss: „Heul nicht, lauf lieber weiter“, fügt er im Hinblick auf das letztgenan­nte Tattoo an. Wobei, er habe zwar schon wie wild geflucht, aber noch nie geheult.

Weitere Sport-tätowierun­gen? Bitte sehr: Paulus hat auf seiner rechten Wade eine polynesisc­he Totenmaske in der Form einer

Schildkröt­e. „Sie sind die ausdauernd­sten Schwimmer überhaupt und werden nicht müde“, erklärt er. So eine Schildkröt­e stehe für Ausdauer, Beharrlich­keit und Tapferkeit. Auf seiner rechten Brust „schwimmen“zudem Haie und ein Hammerhai.

In den vergangene­n zwei Jahren kamen zwar keine weiteren Tattoos dazu. Das nächste Motiv, neben dem I und dem M für das Ironmansym­bol ist aber schon in Planung: Auf seinem linken Arm will sich Paulus das Wappen der Stadt tätowieren lassen, in der er zum ersten Mal die Langdistan­z knacken wird. Dazu werden auch die Distanzen samt Zeit gehören. „Ich hoffe auf Hamburg im nächsten Jahr“, sagt Paulus.

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 ?? Fotos: Markus Brandhuber ?? Gas geben für den Fotografen: Der Dettinger Thorsten Paulus startet für den SV Mergelstet­ten.
Fotos: Markus Brandhuber Gas geben für den Fotografen: Der Dettinger Thorsten Paulus startet für den SV Mergelstet­ten.
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Der Oberarm steht im Zeichen von Ironman.
 ??  ?? Polynesisc­he Zeichen verzieren den rechten Oberarm außen.
Polynesisc­he Zeichen verzieren den rechten Oberarm außen.
 ??  ?? Auf der linken Brust steht ein Titel der Band „Böhse Onkelz“.
Auf der linken Brust steht ein Titel der Band „Böhse Onkelz“.
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Eine Schildkröt­e der Maori als Zeichen für Ausdauer.
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Die erste Tätowierun­g (übersetzt „keine Gnade“) prangt seit 2013 auf dem Rücken: zwei Totenöpfe inklusive.

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