Heidenheimer Neue Presse

Zahlung ohne Ende

- André Bochow zu Leitartike­l Staatsleis­tungen an Kirchen

Die Steuerzahl­er finanziere­n die christlich­en Kirchen wegen Relikten der Vergangenh­eit. Wenn es so weitergeht, bis in alle Ewigkeit. Doch Reformvors­chläge werden abgeblockt. Nein, es war wieder nichts. 102 Jahre, nachdem in der Weimarer Verfassung festgelegt wurde, dass die Staatsleis­tungen an die Kirchen abzulösen sind, müssen die deutschen Steuerzahl­er noch sehr lange für die christlich­en Kirchen ihr Geld hergeben. So hat es der Bundestag in der vergangene­n Woche beschlosse­n. Dass Christus ohne einen Cent zu besitzen seine Himmelfahr­t erlebte, wird an der Haltung der Kirchen nichts ändern. Und auch auf den Heiligen Geist zu Pfingsten sollte niemand hoffen.

Fast 550 Millionen Euro zahlen die Bundesländ­er (außer Hamburg und Bremen) in diesem Jahr. Und warum wird den Kirchen dieser Segen zuteil? Weil unter Napoleon in den linksrhein­ischen Gebieten deutsche Fürsten Eigentum verloren und das mit Kirchengüt­ern entschädig­t wurde, selbst der Dreißigjäh­rige Krieg spielt eine Rolle und auch, dass von 1803 bis 1919 die Monarchie für das Wohlergehe­n der christlich­en Religionsg­emeinschaf­ten sorgte.

Aber dann entschied sich das Volk, den Kaiser nicht mehr zu wollen und den Staat von der Kirche zu trennen. Deswegen bekam 1919 die Ablösung der Staatsleis­tungen Verfassung­srang. Allein, es wurde nicht abgelöst, sondern weiter gezahlt. Und zwar von allen Steuerzahl­ern, unabhängig von ihrem Bekenntnis zur Kirche.

Liberale, Linke und Grüne schlugen im Bundestag nicht etwa die sofortige Beendigung der Zahlungen vor, sondern eine Ablösesumm­e, die das 18,6-fache der jetzigen Jahresleis­tung beträgt. Das können bis zu zehn Milliarden Euro sein, zu zahlen innerhalb der kommenden 20 Jahre, ohne Berücksich­tigung der bisher in 102 Jahren erbrachten Staatsleis­tungen und unter Fortzahlun­g der jährlichen Staatsleis­tungen bis zur endgültige­n Ablösung. Was wie Irrsinn wirkt, folgt geltendem Recht und der Meinung von Experten. Aber wie gesagt, auch diese für die Kirchen höchst großzügige Regelung wird nicht kommen, weil die Regierungs­parteien sie ablehnten.

Fakt ist: Die weiter bestehende zu große Nähe von Staat und Kirche in Deutschlan­d hat zu einer Situation geführt, die es tatsächlic­h extrem schwierig macht, finanziell­e Konsequenz

Was wie Irrsinn wirkt, folgt geltendem Recht und der Meinung von Experten.

zu zeigen. Und das, obwohl die Kirchen eine eigene Steuer einnehmen, eigenes Arbeitsrec­ht haben, zu den größten Grundbesit­zern im Land gehören, massive finanziell­e Unterstütz­ung für Kitas, Krankenhäu­ser, Schulen, Pflegeeinr­ichtungen bekommen und obwohl sie im Pflegebere­ich zuletzt einen einheitlic­hen Tarifvertr­ag verhindert­en. Dabei ist nur noch eine reichliche Hälfte der Bundesbürg­er bei den Kirchen eingetrage­n – Tendenz stark sinkend. Im Osten sind es meist keine 20 Prozent.

Eine Lösung wäre, wenn die Kirchen von sich aus verzichten würden. Die Staatsleis­tungen sind anachronis­tisch, ungerecht und machen ohnehin nur zwei bis drei Prozent der Kirchenein­nahmen aus. Dass die evangelisc­hen und katholisch­en Chefetagen ein Einsehen mit Steuerzahl­ern haben, ist allerdings nicht zu erwarten.

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