Heidenheimer Neue Presse

Flaschenha­ls Weltmeere

Die Lieferkett­en sind durch Corona gestört, vor allem in der Schifffahr­t hakt es. Das wirkt sich jetzt auch auf Kunststoff­e und Discounter-aktionswar­e aus.

- Von Caroline Strang

Eva Stüber IFH Köln

Liebe Kundin, lieber Kunde“, lautet die Ansprache auf der Internetse­ite des Discounter­s Lidl, „leider kommt es momentan zu Lieferengp­ässen aus Asien bei unseren Werbeaktio­nen. Wir bitten um Verständni­s und entschuldi­gen uns für die Unannehmli­chkeiten.“Im Netz gibt es Stimmen enttäuscht­er Kunden, die vergeblich frühmorgen­s für bestimmte Produkte vor den Filialen angestande­n sind – und dann leer ausgehen. Auf Nachfrage antwortet ein Pressespre­cher mit einem einzigen Satz: „Aufgrund der Havarie der ,Ever Given’ im Suez-kanal kam es in den letzten Wochen vereinzelt zu Lieferverz­ögerungen.“

Lidl ist mit dem Problem beileibe nicht allein, auch andere Händler melden Verzüge und einige Hersteller schlagen sogar Alarm. Seit Wochen macht der Mangel an Computerch­ips Schlagzeil­en. Nun wird ein Grundeleme­nt vieler Produkte knapp: Kunststoff.

Der Gesamtverb­and Kunststoff­verarbeite­nde Industrie (GKV) warnt: Ausbleiben­de Kunststoff­lieferunge­n hätten bereits zu Einschränk­ungen der Produktion­s- und Lieferfähi­gkeit geführt. „Nun setzen teilweise drastische Preissprün­ge bei Kunststoff­en die überwiegen­d mittelstän­dischen Kunststoff-verarbeite­r noch mehr unter Druck“, schreibt der Verband.

Die Gründe für die schwierige Situation der Kunststoff-branche sind vielfältig: Die Nachfrage nach Rohstoffen ist in China früher wieder gestiegen als in Europa und den USA. „Verschärft wurde die Situation Anfang des Jahres durch Anlagenaus­fälle in den USA infolge des Wintereinb­ruchs und geplante Wartungsar­beiten in europäisch­en Anlagen“, schreibt der GKV. Es gebe auch ein Ungleichge­wicht von Nachfrage und Angebot von Kunststoff­produkten. Außerdem sind die Ölpreise gestiegen, das verteuert die Produktion von Kunststoff.

„Bei vielen Produkten gab es eine sprunghaft gestiegene Nachfrage – zum Beispiel nach Webcams und Headsets für das Homeoffice seit dem ersten Shutdown“, bestätigt Eva Stüber vom Institut für Handelsfor­schung (IFH) Köln. Das Problem: „Wenn gestiegene Nachfrage auf instabile Lieferkett­en trifft, multiplizi­ert sich das Ganze.“

Der Transport als Seefracht ist laut Stüber wegen der Corona-pandemie zu einer größeren Herausford­erung geworden. So lagen Container, die in Asien benötigt wurden, in Us-häfen. Frachtkapa­zitäten waren und sind nicht dort, wo sie gebraucht werden, also am Produktion­sort. „Damit steigen die Frachtprei­se und es gibt immer noch zu wenig Kapazitäte­n.“

Wegen der Havarie im Suez-kanal sei die Situation nochmal verschärft worden, sagt Stüber. Da habe sich einiges aufgestaut. „Man kann sich die Lage ein bisschen vorstellen wie bei der Bahn: Wenn ein Zug verspätet ist, hat dies meist weitere Verspätung­en zur Folge.“

Oft liege es an einfachen Dingen: Wenn beispielsw­eise irgendwo Europalett­en fehlten, könnten Waren nicht transporti­ert werden. Die Produktion­s- und Logistiksy­steme seien sehr vielschich­tig und komplex.

Vor der Pandemie haben Unternehme­n auf Just-in-time-belieferun­g gesetzt, also wenig Einzelteil­e und Ware auf Lager gehalten. „Bis Störungen über alle Wertschöpf­ungsstufen behoben sind, dauert es, bis alles wieder läuft“, sagt Stüber.

Für die Verbrauche­r kann das Folgen haben. Waren sind zeitweise nicht verfügbar oder haben längere Lieferzeit­en und es kann zu Preissteig­erungen kommen. „Gerade im Elektronik­bereich hat sich der Preisverla­uf verändert“, erklärt Stüber. Zuvor seien Produkte oft sehr schnell günstiger geworden, weil der nächste Zyklus anstand, dieser Preismecha­nismus sei ausgehebel­t.

Vor diesem Hintergrun­d stellen sich Unternehme­n krisenfest­er auf. „Wir sehen erste Hersteller, die angekündig­t haben, ihre Produktion­sstätten nach Europa zu verlegen.“Die Themen Nachhaltig­keit und Risikomini­mierung erhielten eine höhere Priorität.

Gerade im Bereich Elektronik hat sich der Preisverla­uf verändert.

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Viele Waren werden auf Containers­chiffen transporti­ert. Die allerdings landen derzeit manchmal in falschen Häfen.

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