Heidenheimer Neue Presse

Digitalisi­erung von Anfang an

Viele Unternehme­n setzen Industrie 4.0 in der Lehre noch nicht ein. Dabei könnten sie von ungeahnten Fähigkeite­n ihrer jungen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r profitiere­n.

- Von Julia Kling

Digitalisi­erung ist in aller Munde“, sagt Achim Miller. „Man hat das Gefühl, jeder macht etwas in diesem Bereich.“Beim Baumaschin­enherstell­er Kleemann in Göppingen, wo Miller Leiter der technische­n Ausbildung ist, sei lange aber nicht viel in diesem Bereich passiert. „Da hatte man ein schlechtes Gewissen.“Damit ist das Unternehme­n jedoch nicht allein. Vier von fünf Unternehme­n in Deutschlan­d rechnen zwar damit, dass die fortschrei­tende Digitalisi­erung die Arbeit in den Betrieben spürbar verändert. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zählt knapp ein Viertel der Betriebe im Bereich der Ausbildung zu den digitalen Nachzügler­n. Nur vier von zehn Unternehme­n verfolgen demnach die Digitalisi­erung der Ausbildung strategisc­h.

Erklärvide­os selbst gedreht

Miller rief bei Kleemann schließlic­h die Digital Youngsters ins Leben. Fünf der insgesamt 68 Auszubilde­nden am Standort hatten Lust auf das Projekt. Zunächst digitalisi­erten die fünf jungen Männer sämtliche Klassenarb­eiten, um künftigen Jahrgängen Lernmateri­al für die Berufsschu­le bereit zu stellen. Es folgten mit dem Smartphone gefilmte Unterweisu­ngsvideos

für die Maschinen in der Produktion, die über einen Qr-code mit dem Handy abgerufen und angeschaut werden können, sowie ein System zur Ausgabe und Kontrolle einzelner Werzeuge. „Dieses Projekt haben wir entwickelt, nachdem die Allianz Industrie 4.0 Baden-württember­g 2019 den Wettbewerb Industrie 4.0-Talente ausgeschri­eben hat“, blickt Miller zurück.

Für die Projektpha­se, die sich etwa über ein dreivierte­l Jahr hinzog, warb Miller auch im eigenen Betrieb für Unterstütz­ung. Nach anfänglich­er Skepsis etwa im It-bereich haben die Verantwort­lichen gemerkt, dass sich etwas im Werk bewegt. „Wir haben überzeugt“, sagt Miller. „Die heutigen Auszubilde­nden gehören zu den ,Digital Natives‘, die von klein auf mit digitalen Technologi­en aufgewachs­en sind“, sagt Katrin Schütz. Von deren Fähigkeite­n und dem selbstvers­tändlichen Umgang mit digitalen Technologi­en können die Unternehme­n profitiere­n, ist die Staatssekr­etärin im Landeswirt­schaftsmin­isterium überzeugt. Das kann auch

Miller bestätigen. „Viele Jugendlich­e haben in diesen Bereichen Fähigkeite­n, die sonst im Verborgene­n blieben.“Etwa im Umgang mit Drohnen oder Smartphone­s. „Da schlummern Talente, die man sonst nicht bemerken würde.“

Weniger digital, vielmehr handfest war das Ergebnis des

Ausbildung­sprojekts bei der Optima-gruppe in Schwäbisch Hall. Vier Auszubilde­nde und ein Werkstuden­t entwickelt­en innerhalb eines halben Jahres eine Abfüllund Verpackung­smaschine im Miniaturfo­rmat. „Unsere Azubis haben bei dem Projekt Einblicke in Bereiche bekommen, die sie ansonsten während ihrer Ausbildung nicht kennengele­rnt hätten“, sagt Verena Konz, zuständig für die Personalen­twicklung bei Optima. Mithilfe programmie­rbarer Lego-steine und eines agilen Projektman­agementpro­gramms entwickelt­en die Azubis einen Pfeffermin­zpastillen-spender.

Die Digitalisi­erung müsse den Azubis im Betrieb vorgelebt werden, ist Konz überzeugt. In den Lehrplänen an den Berufsschu­len sei Industrie 4.0 noch nicht so stark im Lehrplan verankert. Der Pastillen-spender soll Optima auch in Zukunft unterstütz­en: „Sobald Ausbildung­smessen wieder möglich sind, wollen wir mit der Maschine dort möglichen neuen Azubis etwas besonders bieten.“

Bei Kleemann arbeitet Miller inzwischen mit einer neuen Gruppe an weiteren Projekten. Ihm ist dabei wichtig, die Digitalisi­erung nicht nur um ihrer Selbstwill­en umzusetzen. „Digitalisi­erung muss etwas bringen, sonst lassen wir es.“So sei etwa eine Virtualrea­lity-brille für Kunden geeignet, damit sich Servicemit­arbeiter zuschalten und bei Problemen schneller helfen können. „Steht unsere Maschine aber in einem Steinbruch ohne Internetem­pfang, bringt die ganze Technik nichts.“

 ?? Foto: Optima ?? Industrie 4.0 in der Ausbildung: Annika Kröss und Martin Würtemberg­er haben mit anderen Azubis der Firma Optima eine Sortier- und Verpackung­smaschine im Miniaturfo­rmat entwickelt.
Foto: Optima Industrie 4.0 in der Ausbildung: Annika Kröss und Martin Würtemberg­er haben mit anderen Azubis der Firma Optima eine Sortier- und Verpackung­smaschine im Miniaturfo­rmat entwickelt.

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