Freunde schaffen Freude
Inge Grein-feil und die Zeit der Pandemie.
Inge Grein-feils Leben ist seit Jahrzehnten eng verknüpft mit der vorrangig in Dischingen beheimateten Aktion Freunde schaffen Freude, deren Vorsitzende und Mitbegründerin sie ist. Seit Beginn der Corona-pandemie steht das Vereinsleben still. Doch ruhig ist es im Leben der Demmingerin deshalb nicht geworden. Im Interview spricht sie über Mittagsschläfchen im Auto, traurige Telefonate mit arbeitslosen Kulturschaffenden und ihre Wünsche für die Zukunft.
Frau Grein-feil, mit welchem Gefühl erinnern Sie sich an die letzte Veranstaltung in der Arche? Inge Grein-feil:
Der brillante Artist Karsten Feist von „3 Nasen“war am 8. März 2020 bei uns zu Gast, zwei Tage vor Beginn des ersten Lockdowns. Es war ein integrativer Arche-sonntag, wie immer waren viele Leute da. Die fünfjährige Gurbani, die bei uns in Dischingen lebt, führte ein Kunststück vor. Sie kletterte auf eine Leiter, die nirgendwo anlehnt. Es gab viel Beifall. Sie sagte hinterher zu mir: ‘Oma Inge, weißt du was? Das mache ich jetzt jeden Sonntag bei dir in der Arche!’ Am Nachmittag hat mich dann der Landrat angerufen und gesagt, dass es nicht mehr geht. Das war ein Schock. Wie Marionetten haben wir alles aufgeräumt und uns zum Abschied noch ein letztes Mal umarmt.
Das ist nun über ein Jahr her. Wie hat diese Zeit das Miteinander im Team verändert?
Wir haben versucht, Kontakt zu halten über Briefe, Whatsapp und Mails. Aber das ging oft ins Leere. Unsere Aktion Freunde schaffen Freude e. V. lebt von zwischenmenschlichen Begegnungen. Zwei Mal gab es ein Treffen auf dem Parkplatz und eine Teamschulung bei der Arche, natürlich mit dem gebotenen Abstand. Da sind alle gekommen. Vorstand,
Team und Besucher stehen in den Startlöchern, allerdings ohne Turnschuhe. Niemand kann abschätzen, wann es wieder losgeht.
Stehen Sie im Austausch mit den Künstlern, die für Auftritte gebucht waren?
Permanent. Ich habe viele Gespräche geführt mit Musikern, Kabarettisten und anderen Kulturschaffenden. Vom studierten Künstler runter auf Hartz IV wegen Corona: Da erfährt man von so vielen Schicksalen, das ist hammerhart und sehr traurig. Unser Artist und Zirkustrainer für die Kinderfreizeit ist selbstständig und Vollprofi auf seinem Gebiet. Ich rief ihn an und fragte, womit er gerade sein Geld verdient. Er meinte, er begleitet gerade den Transport einer Giraffe von Dänemark nach Tschechien.
Wie plant man ein Jahr in der Arche, wenn man nicht planen kann?
Unser Jahresprogramm ist fertig. Sobald es möglich ist, finden die Veranstaltungen in der Egauhalle
statt. Viele Karten sind verkauft. Nun schieben wir die Termine weiter und weiter.
Wie geht es all den Menschen, denen die Arche über die Jahre ein zweites Zuhause geworden ist?
Ich telefoniere mir die Finger wund. Alles folgt einem Ritual. Ich habe eine Liste, die ich Woche für Woche abarbeite. Ich schreibe Briefe. Viel geht auch über Whatsapp. Wir schicken in unregelmäßigen Abständen Blumengrüße raus. All das soll zeigen: Ihr seid nicht vergessen! Aus diesem Gedanken heraus ist das Format „Corona und Boriss“entstanden.
Da spielen Sie gemeinsam mit Ihrem Mann Siggi Feil Tag für Tag kleine Impro-sketche. Es sind muntere Szenen aus dem Alltag. Wie ist die Resonanz?
Damit haben wir etliche Leute in der höheren Altersgruppe aus dem tiefsten Corona-loch herausgeholt. Manchen wurde dafür extra ein Tablet ins Seniorenheim gespendet. Wir bekommen Dankesbriefe. Manche Zuschauer werden kreativ und drehen selber Sketche. Eine Frau aus Berlin hat mir geschrieben: Dass sie sehr einsam ist, sich aber schon vor dem ersten Kaffee am Morgen auf unser neues Video freut. Wir hätten uns gefreut, wenn wir eine größere Reichweite erzielt und damit die Möglichkeit gehabt hätten, Spenden zu generieren für unsere Aktion Freunde schaffen Freude. Aber wir freuen uns auch so – über jeden einzelnen Zuschauer, dem wir als Corona und Boriss eine Freude machen. Wir haben inzwischen mehr als 300 Folgen beieinander.
Sie sind ein Mensch, der Menschlichkeit lebt. Wie schwer fallen Ihnen selbst die Kontaktbeschränkungen?
Mir ist klar: Wenn wir uns nicht daran halten, bekommen wir die Pandemie gar nicht in den Griff. Mir macht eher die „Unendlichkeit“der Situation Sorgen. In den ersten zwei Monaten haben wir die Zwangspause genossen. Seit 37 Jahren haben Siggi und ich so gut wie immer sieben Tage die Woche durchgeackert. Es war der Urlaub, den wir nie hatten. Jeden Mittag sind wir mit dem Auto auf den Kellerberg in Demmingen gefahren. Wir haben einen Podcast gehört von einem Pfarrer und einem Philosophen aus Köln und dann eine halbe Stunde geschlafen. Aber nach all den Monaten droht man, in eine Traurigkeit abzurutschen, der wir mit Aktionismus begegnen. Es heißt ja, wenn es am schönsten ist, sollte man aufhören – doch jetzt ist es gerade so gar nicht schön. Also machen wir noch eine Weile weiter.
Das Infektionsgeschehen ist glücklicherweise rückläufig. Welche Pläne haben Sie für die Zeit nach Corona?
Privat freue ich mich zusammen mit meinem unermüdlichen Siggi an meiner Seite, der ja auch seit 2020 in Ruhestand gehen könnte, auf Kinobesuche. Durch meine Multiple Sklerose bin ich körperlich sehr eingeschränkt, aber im Kino vergesse ich das. Auch besuchen wir gerne mit Freunden mal einen Biergarten oder musikalische Veranstaltungen. Wir mögen beide lustige Sachen mit Niveau und Musik.
Denken Sie, Sie können in der Arche an frühere Zeiten anknüpfen, sobald die Situation größere Veranstaltungen wieder zulässt?
Menschen fallen relativ schnell zurück in alte Gewohnheiten. Ich denke schon, dass das begrenzt und mit bestimmten Sicherheitsvorkehrungen möglich ist.
Sie sind nun seit 37 Jahren das Gesicht der Aktion Freunde schaffen Freude – woher nehmen Sie in Zeiten wie diesen Ihre Motivation?
Mich treibt Liebe und Zuneigung zu all den Menschen an, die großes Vertrauen in mich haben – dazu gehört auch der Vorstand und das Team an meiner Seite. Außerdem trägt Siggi und mich unser Gottvertrauen. Wir sind sicher: Zum richtigen Zeitpunkt findet sich die richtige Lösung.
Was wünschen Sie sich für die Freunde und für die Arche?
Die Arche ist nur ein Haus. Die Freunde sind die Menschen, die es umtreiben. Ich wünsche mir, dass dieser nunmehr 37 Jahre dauernde Weg eines menschenwürdigen Miteinanders durch die Pandemie nicht beendet wird.