Warten, bis Gras darüber wächst
Kerler Anbau und Ernte von Rollrasen bergen einige Herausforderungen. Am westlichen Tor zum Allgäu trotzt ein Familienunternehmen der Konkurrenz aus dem Ausland.
Ruhige, gleichmäßige Kreise und schön langsam in die Ecken – so wird richtig Rasen gemäht. Gar nicht so einfach, wenn links und rechts jeweils drei Meter Mähwerk am Rasentraktor hängen. Nein, hier geht es nicht um die Durchschnitts-wiese rund ums Eigenheim, sondern um Rollrasen. 40 Hektar insgesamt, um genau zu sein.
Familie Kerler aus Amtzell bei Wangen im Allgäu baut großflächig Rollrasen an – und das birgt einige Herausforderungen. „Nach der Aussaat dauert es 14 bis 18 Monate, bis die Wurzeln fest sind und der Rasen geerntet werden kann“, erklärt Dominik Kerler. Für die Kerlers bedeutet das: Von 40 Hektar Anbaufläche kann aktuell immer nur die Hälfte abgeerntet werden.
Hauptsaison ist von April an – dann geht’s rund. Denn: Innerhalb von 24 Stunden nach der Ernte muss der Rasen verarbeitet werden. Im Sommer muss er bis zur Abholung oder Auslieferung dringend im Schatten stehen – eine längere Lagerung ist unmöglich. Wird zu viel geerntet, geht ein
Teil des Rasens kaputt. Wird zu wenig geerntet, kann nicht geliefert werden. Bleibt der Rasen zu lange auf dem Feld, kann sich das Wurzelwerk zu sehr verdichten und eine Ernte unmöglich machen. „Die Kunst ist, immer genug Material zu haben, dass wir alle Kunden bedienen können“, sagt Dominik Kerler. Er ist nach seinem Vater, Großvater und Urgroßvater die vierte Unternehmer-generation.
Schnelligkeit bedeutet logistischen Aufwand. Manche Betriebe liefern den Rasen daher selbst aus. Für weitere Strecken oder größere Aufträge arbeitet Familie Kerler mit drei Speditionen zusammen. Auch eine Abholung direkt vor Ort ist möglich. Dominik Kerler könnte sich für die Zukunft einen zusätzlichen Online-shop gut vorstellen. Die Kunden des Unternehmens kommen aus einem Radius von bis zu 200
Kilometern – auch aus der Schweiz und Vorarlberg.
1999 startete sein Vater die ersten Anbauversuche. Er hatte Rollrasen in Italien gesehen und war sofort an der Sache interessiert. Zu dieser Zeit war der Betrieb eine Landwirtschaft mit Schweinemast und Milchkühen. Heute konzentriert sich alles auf Rollrasen. Über die Jahre ist der Maschinenpark kontinuierlich angewachsen.
„Das Rollrasen-geschäft ist am Anfang sehr kapitalintensiv“, erklärt Kerler. Abgesehen von der Technik seien die Vorleistungen hoch: Saatgut, Dünger, Ernte – und das alles, bevor auch nur ein
Quadratmeter Gras verkauft ist. Mehr als 300 000 Euro hat allein die Erntemaschine gekostet. „Fiele sie während der Hochsaison aus, wäre das der Super-gau“, sagt Kerler. Daher hat die Familie in eine zweite, kleinere Ersatzmaschine investiert. Weltweit gibt es nur eine Handvoll Hersteller, die diese spezielle Art der Traktoren anbieten.
Nichts für Langschläfer
Wer Rollrasen verkaufen will, darf kein Langschläfer sein: Im Hochsommer geht es um 4 oder 5 Uhr morgens aufs Feld. Außer der Familie samt 81-jährigem Großvater gibt es einen Teilzeitmitarbeiter und mehrere Mini-jobber. Für Kunden im Direktverkauf kostet der Quadratmeter zwischen 4 und 10 Euro. Die Rollen sind 40 Zentimeter auf 2,5 Meter groß. 52 Stück passen auf eine Palette.
„In den vergangenen drei Jahren war die Nachfrage nach Rollrasen sehr gut, aber die Witterung schwierig“, erklärt Prof. Martin Bocksch vom Deutschen Rollrasen-verband. „Es gibt immer mehr Probleme bei der Aussaat. Ohne zusätzliche Bewässerung geht es an vielen Standorten nicht mehr. Rasen mag eigentlich keine Extreme. Ganzjährig 12 bis 15 Grad und viel Regen, da fühlt er sich wohl.“Mit der Lage ihres Betriebs im Alpenvorland haben die Kerlers einen Standortvorteil: Sie können auf künstliche Bewässerung verzichten.
Im Sommer wird es den Kerlers nicht langweilig. Sie ernten und mähen täglich. Spezialreifen schonen den Rasen. Und wenn doch mal etwas kaputt geht? Dann heißt es abwarten – bis Gras über die Sache gewachsen ist.