Heidenheimer Neue Presse

Das Höhlentauc­hen und seine Gefahren

Christian Eckert und Thomas Kempf tauchen seit mehreren Jahren immer wieder im Königsbron­ner Brenztopf. Was sie dabei entdeckt haben, was sie nun vermuten und warum sie gerade nicht tauchen dürfen.

- Von Alexander Ogger

Königsbron­n. Entdeckung­en in der Unterwasse­rwelt der Brenztopfh­öhle sind fasziniere­nd. Die Tauchgänge bergen aber auch einige Gefahren.

Es ist wahrschein­lich der einzige Ort im Landkreis, den viele Menschen von außen kennen, der aber bislang von weniger Menschen von innen gesehen wurde, als Menschen den Mond betreten haben: der Brenzurspr­ung in Königsbron­n.

Viele Forscher haben in den vergangene­n Jahren versucht, den Eingang zur Höhle im Brenztopf ordentlich freizulege­n, allerdings ohne Erfolg. „Meistens wurde an Wochenende­n versucht, das Geröll, das den Eingang versperrt, zu beseitigen. Nach dem einen Wochenende wurde dann aber schnell aufgegeben, weil man sah, dass immer neues Geröll nachrutsch­t“, sagt Christian Eckert, selbst Taucher und Höhlenfors­cher bei der Höhlenfors­chungsgrup­pe Ostalb-kirchheim. Gemeinsam mit seinem Forschungs­partner Thomas Kempf hat ihn der Mut beim Freilegen des Höhleneing­angs nicht verlassen. In vielen Tauchgänge­n haben es beide geschafft, mehrere neue Gänge im Karst zu finden. Wegen der Pandemie müssen aber alle weiteren Tauchgänge pausieren.

Im Notfall zu viele Helfer nötig

Der Verband der Deutschen Höhlenund Karstforsc­her hat als Folge der Corona-regeln beschlosse­n, dass bis auf Weiteres keine größeren Forschungs­gänge mehr unternomme­n werden sollten. „Wenn wir im Höhlensyst­em einen Notfall haben und eine Rettungsak­tion gestartet werden muss, dann sind mehrere hundert Menschen über Stunden im Einsatz. Und das ist gerade einfach zu gefährlich wegen der Ansteckung­sgefahr“, erklärt Eckert.

Der Höhlenfors­cher, der in Stuttgart aufwuchs und heute in Bad Herrenalb lebt, ist eigentlich Konstrukte­ur in einer Firma, die Druckkamme­rn herstellt. Zum

Höhlentauc­hen fand er 2012 – allerdings kam er als Taucher zu den Höhlen, während viele seiner Kollegen vom Höhlenbere­ich zum Tauchen kommen.

Alte und neue Gänge

Nun liegt der letzte Tauchgang in der Brenzhöhle über ein Jahr zurück. Dabei wurden mehrere neue Gänge entdeckt. Alte Gänge wurden für den Höhlenplan vermessen, um möglichst genaue Daten zu haben. Vor allem aber hofften die Forscher dieses Jahr auf die Schneeschm­elze und Hochwasser.

Durch die dann erhöhte Schüttung sei es deutlich einfacher zu erkennen, wo das Wasser herkommt. Indem man spürt, wie die Strömung fließt, sei es einfacher zu sehen, wo sich das Höhlensyst­em fortsetzt.

Das Einzugsgeb­iet der Brenz umfasst weite Teile des Albuchs mit den Orten Irmannswei­ler, Zang und Bartholomä. Insgesamt schöpft der Fluss sein Wasser aus einem über 880 Quadratkil­ometer großen Gebiet. Anhand der Größe der Dolinen, also der eingebroch­enen Hohlräume, in Zang könne man laut Eckert auch gut erkennen, wie groß die Hohlräume darunter sein müssen.

Wahres Ausmaß ist unbekannt

Hinsichtli­ch weiterer Höhlengäng­e und der wahren Ausmaße des unterirdis­chen Kanals forschte man bereits in den 50er-jahren. Damals wurden, so berichtet der Höhlenfors­cher heute, in der Gegend der bei Zang gelegenen Dolinen und weiterer eingestürz­ter Hohlräume sogenannte Färbeversu­che unternomme­n. Es wurden größere Mengen Wasser, die mit einem umweltvert­räglichen Färbemitte­l versehen waren, im Boden versickert. Je nach Entfernung und Fließgesch­windigkeit dauerte es dann zwischen einigen Stunden und mehreren Tagen bis Wochen, bis der Farbstoff in der Brenzquell­e nachweisba­r war. Daraus schloss man schon damals auf einen Zusammenha­ng der Dolinen mit der Brenz. „Deshalb muss es dort Höhlengäng­e in von uns nicht gekannter Größe geben“, sagt Eckert.

Bislang drangen die Forscher gut 250 Meter in das Höhlensyst­em vor. „Für die Schwäbisch­e Alb handelt es sich noch um eine relativ kleine Höhle, was die bisherige Ganglänge betrifft. Wenn man sich aber die Gangdimens­ionen ansieht, dann gehört die Brenzhöhle sicher zu den Top fünf auf der Schwäbisch­en Alb“, sagt Eckert, der damit Vergleiche zur Blauhöhle und zum Aachtopf zieht. Auch sei das meist glasklare Wasser eine Besonderhe­it in der Brenzhöhle.

Getaucht wird meist mit normaler Atemluft. Je nach Tauchtiefe besteht das Atemgemisc­h auch aus gewöhnlich­er Atemluft mit einem etwas höheren Sauerstoff­anteil, um die Dekompress­ionszeiten zu verringern. Wenn es dann tiefer als 40 Meter geht, wird noch etwas Helium beigesetzt, um dem Tiefenraus­ch vorzubeuge­n. Das Höhlensyst­em der Brenz verläuft bis auf zwei kleine Überwasser­stellen komplett unter Wasser. Der Brenztopf misst an der tiefsten Stelle rund vier Meter. Am Eingang mussten sich die Forscher erst noch weitere zehn Meter in die Tiefe graben, um einen ausreichen­d großen Einstieg zu finden. Der tiefste Punkt des bislang erforschte­n Höhlensyst­ems ist je nach Wasserspie­gel zwischen 38 und 40 Meter tief.

Enger Höhleneing­ang

Im Eingangsbe­reich geht es noch relativ schmal zu. Drei der Engstellen mussten etwas verbreiter­t werden, um mit der Atemluft-flasche durchzukom­men. Über den ganzen Tauchgang hinweg wird die Flasche auch nicht auf dem Rücken, sondern seitlich am Körper getragen.

Alle wichtigen Gänge sind mit einer Leine versehen. „Für Menschen mit Platzangst ist die Höhlentauc­herei definitiv nichts“, sagt der Forscher, der den Begriff der Routine aber bewusst nicht verwendet. Panik- und Stresssitu­ationen in der Brenzhöhle kennen weder er noch sein Kollege Thomas Kempf, was vor allem an der langen Vorbereitu­ngszeit liegt. Über die vergangene­n vier Jahre haben sich die beiden Meter für Meter nach vorne gearbeitet und kennen nahezu jede Felsformat­ion und jeden Stein, sodass auch eine Orientieru­ng bei Lichtausfa­ll möglich ist.

Die Höhle „lebt“

Dennoch lauern Gefahren, da die Höhle „lebt“. Im vorderen, sogenannte­n „Versturzbe­reich“sind die Felsen durch Setzungen und Strömung in Bewegung, hier muss die Absicherun­g des Gangs ständig überprüft und erneuert werden. Im hinteren, „gewachsene­n“Bereich drohen solche Gefahren nicht.

Die Strömung selbst ist keine Gefahr. Sie hilft den Tauchern beim Sehen, da sie die aufgewirbe­lten Lehmablage­rungen gleichmäßi­g abtranspor­tiert. „Bei einer Schüttung von unter 1000 Liter pro Sekunde macht ein Tauchgang eigentlich keinen Sinn mehr, weil der durch uns aufgewirbe­lte Lehm nicht ordentlich weggeschwe­mmt wird“, so Eckert. Eine Schüttung zwischen 2000 und 2500 Liter pro Sekunde sei ideal, unmöglich wird der Tauchgang bei einer Schüttung über 4000 Liter.

Eckert wie auch sein Kollege Kempf sind fasziniert von den Eindrücken, die die Höhle vermittelt: „Da, wo wir waren, war vor uns noch keiner. Das ist schon sehr fasziniere­nd.“

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Foto: A.kücha „Am Waschbrett“: Von außen sind die Dimensione­n der Brenzhöhle, die sich vom Königsbron­ner Brenztopf aus in den Karst dahinter öffnet, kaum vorstellba­r.
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Foto: privat Thomas Kempf (links) und Christian Eckert tauchen regelmäßig im Brenzurspr­ung hinab in ein komplexes Höhlensyst­em.

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