Das Höhlentauchen und seine Gefahren
Christian Eckert und Thomas Kempf tauchen seit mehreren Jahren immer wieder im Königsbronner Brenztopf. Was sie dabei entdeckt haben, was sie nun vermuten und warum sie gerade nicht tauchen dürfen.
Königsbronn. Entdeckungen in der Unterwasserwelt der Brenztopfhöhle sind faszinierend. Die Tauchgänge bergen aber auch einige Gefahren.
Es ist wahrscheinlich der einzige Ort im Landkreis, den viele Menschen von außen kennen, der aber bislang von weniger Menschen von innen gesehen wurde, als Menschen den Mond betreten haben: der Brenzursprung in Königsbronn.
Viele Forscher haben in den vergangenen Jahren versucht, den Eingang zur Höhle im Brenztopf ordentlich freizulegen, allerdings ohne Erfolg. „Meistens wurde an Wochenenden versucht, das Geröll, das den Eingang versperrt, zu beseitigen. Nach dem einen Wochenende wurde dann aber schnell aufgegeben, weil man sah, dass immer neues Geröll nachrutscht“, sagt Christian Eckert, selbst Taucher und Höhlenforscher bei der Höhlenforschungsgruppe Ostalb-kirchheim. Gemeinsam mit seinem Forschungspartner Thomas Kempf hat ihn der Mut beim Freilegen des Höhleneingangs nicht verlassen. In vielen Tauchgängen haben es beide geschafft, mehrere neue Gänge im Karst zu finden. Wegen der Pandemie müssen aber alle weiteren Tauchgänge pausieren.
Im Notfall zu viele Helfer nötig
Der Verband der Deutschen Höhlenund Karstforscher hat als Folge der Corona-regeln beschlossen, dass bis auf Weiteres keine größeren Forschungsgänge mehr unternommen werden sollten. „Wenn wir im Höhlensystem einen Notfall haben und eine Rettungsaktion gestartet werden muss, dann sind mehrere hundert Menschen über Stunden im Einsatz. Und das ist gerade einfach zu gefährlich wegen der Ansteckungsgefahr“, erklärt Eckert.
Der Höhlenforscher, der in Stuttgart aufwuchs und heute in Bad Herrenalb lebt, ist eigentlich Konstrukteur in einer Firma, die Druckkammern herstellt. Zum
Höhlentauchen fand er 2012 – allerdings kam er als Taucher zu den Höhlen, während viele seiner Kollegen vom Höhlenbereich zum Tauchen kommen.
Alte und neue Gänge
Nun liegt der letzte Tauchgang in der Brenzhöhle über ein Jahr zurück. Dabei wurden mehrere neue Gänge entdeckt. Alte Gänge wurden für den Höhlenplan vermessen, um möglichst genaue Daten zu haben. Vor allem aber hofften die Forscher dieses Jahr auf die Schneeschmelze und Hochwasser.
Durch die dann erhöhte Schüttung sei es deutlich einfacher zu erkennen, wo das Wasser herkommt. Indem man spürt, wie die Strömung fließt, sei es einfacher zu sehen, wo sich das Höhlensystem fortsetzt.
Das Einzugsgebiet der Brenz umfasst weite Teile des Albuchs mit den Orten Irmannsweiler, Zang und Bartholomä. Insgesamt schöpft der Fluss sein Wasser aus einem über 880 Quadratkilometer großen Gebiet. Anhand der Größe der Dolinen, also der eingebrochenen Hohlräume, in Zang könne man laut Eckert auch gut erkennen, wie groß die Hohlräume darunter sein müssen.
Wahres Ausmaß ist unbekannt
Hinsichtlich weiterer Höhlengänge und der wahren Ausmaße des unterirdischen Kanals forschte man bereits in den 50er-jahren. Damals wurden, so berichtet der Höhlenforscher heute, in der Gegend der bei Zang gelegenen Dolinen und weiterer eingestürzter Hohlräume sogenannte Färbeversuche unternommen. Es wurden größere Mengen Wasser, die mit einem umweltverträglichen Färbemittel versehen waren, im Boden versickert. Je nach Entfernung und Fließgeschwindigkeit dauerte es dann zwischen einigen Stunden und mehreren Tagen bis Wochen, bis der Farbstoff in der Brenzquelle nachweisbar war. Daraus schloss man schon damals auf einen Zusammenhang der Dolinen mit der Brenz. „Deshalb muss es dort Höhlengänge in von uns nicht gekannter Größe geben“, sagt Eckert.
Bislang drangen die Forscher gut 250 Meter in das Höhlensystem vor. „Für die Schwäbische Alb handelt es sich noch um eine relativ kleine Höhle, was die bisherige Ganglänge betrifft. Wenn man sich aber die Gangdimensionen ansieht, dann gehört die Brenzhöhle sicher zu den Top fünf auf der Schwäbischen Alb“, sagt Eckert, der damit Vergleiche zur Blauhöhle und zum Aachtopf zieht. Auch sei das meist glasklare Wasser eine Besonderheit in der Brenzhöhle.
Getaucht wird meist mit normaler Atemluft. Je nach Tauchtiefe besteht das Atemgemisch auch aus gewöhnlicher Atemluft mit einem etwas höheren Sauerstoffanteil, um die Dekompressionszeiten zu verringern. Wenn es dann tiefer als 40 Meter geht, wird noch etwas Helium beigesetzt, um dem Tiefenrausch vorzubeugen. Das Höhlensystem der Brenz verläuft bis auf zwei kleine Überwasserstellen komplett unter Wasser. Der Brenztopf misst an der tiefsten Stelle rund vier Meter. Am Eingang mussten sich die Forscher erst noch weitere zehn Meter in die Tiefe graben, um einen ausreichend großen Einstieg zu finden. Der tiefste Punkt des bislang erforschten Höhlensystems ist je nach Wasserspiegel zwischen 38 und 40 Meter tief.
Enger Höhleneingang
Im Eingangsbereich geht es noch relativ schmal zu. Drei der Engstellen mussten etwas verbreitert werden, um mit der Atemluft-flasche durchzukommen. Über den ganzen Tauchgang hinweg wird die Flasche auch nicht auf dem Rücken, sondern seitlich am Körper getragen.
Alle wichtigen Gänge sind mit einer Leine versehen. „Für Menschen mit Platzangst ist die Höhlentaucherei definitiv nichts“, sagt der Forscher, der den Begriff der Routine aber bewusst nicht verwendet. Panik- und Stresssituationen in der Brenzhöhle kennen weder er noch sein Kollege Thomas Kempf, was vor allem an der langen Vorbereitungszeit liegt. Über die vergangenen vier Jahre haben sich die beiden Meter für Meter nach vorne gearbeitet und kennen nahezu jede Felsformation und jeden Stein, sodass auch eine Orientierung bei Lichtausfall möglich ist.
Die Höhle „lebt“
Dennoch lauern Gefahren, da die Höhle „lebt“. Im vorderen, sogenannten „Versturzbereich“sind die Felsen durch Setzungen und Strömung in Bewegung, hier muss die Absicherung des Gangs ständig überprüft und erneuert werden. Im hinteren, „gewachsenen“Bereich drohen solche Gefahren nicht.
Die Strömung selbst ist keine Gefahr. Sie hilft den Tauchern beim Sehen, da sie die aufgewirbelten Lehmablagerungen gleichmäßig abtransportiert. „Bei einer Schüttung von unter 1000 Liter pro Sekunde macht ein Tauchgang eigentlich keinen Sinn mehr, weil der durch uns aufgewirbelte Lehm nicht ordentlich weggeschwemmt wird“, so Eckert. Eine Schüttung zwischen 2000 und 2500 Liter pro Sekunde sei ideal, unmöglich wird der Tauchgang bei einer Schüttung über 4000 Liter.
Eckert wie auch sein Kollege Kempf sind fasziniert von den Eindrücken, die die Höhle vermittelt: „Da, wo wir waren, war vor uns noch keiner. Das ist schon sehr faszinierend.“