Heidenheimer Neue Presse

Liederlich­e Handschrif­t lesbar gemacht

Der Nattheimer Hans-rainer Schmid hat einen ersten Band über die Oggenhause­r Geschichte veröffentl­icht. Unter anderem steht darin die Kirche St. Wendelin im Fokus.

- Hans-rainer Schmid Nattheimer Heimatfors­cher Von Jens Eber Buch „Oggenhause­n – Heimat meiner Vorfahren“ist in der Ortschafts­verwaltung Oggenhause­n erhältlich.

Es gibt sicher schlechter­e Motivation­en: „Mich interessie­rt es, also mache ich’s!“, sagt Hans-rainer Schmid auf die Frage, warum er sich unermüdlic­h durch teils Jahrhunder­te alte, oft dank liederlich­er Handschrif­t schwerst lesbare Akten und Dokumente gräbt. Er fügt hinzu: „Und wenn ich’s schon lese, schreib ich’s auch auf.“

Rund 50 Bände hat Schmid über Nattheim und dessen Geschichte geschriebe­n, dabei die Historie alter Bauernhöfe ebenso aufgearbei­tet wie den Wandel von Landschaft und Natur rund um die Gemeinde.

Über die Reichsritt­erschaft

Jetzt folgte ein erster Band über Oggenhause­n mit dem Untertitel „Heimat meiner Vorfahren“. Genauer gesagt versammelt das mehr als 300 Seiten starke Werk mehrere Aufsätze zu Themen wie der Flurberein­igung rund um den heutigen Heidenheim­er Teilort, die Geschichte der Reichsritt­erschaft Oggenhause­n und im Kern die Bau- und Namensgesc­hichte der Kirche St. Wendelin – wobei Schmid Erstaunlic­hes über den Erbauer des Sakralbaus zutage förderte.

Bei seinen Recherchen der vergangene­n Jahrzehnte hat Schmid nicht nur das Kirchenarc­hiv von Nattheim untersucht, sondern jüngst auch die Oggenhause­r Dokumenten­sammlung. Unzählige Schriftstü­cke hat er nicht nur entziffert, sondern auch abgetippt und damit deutlich leichter lesbar gemacht. Die Dokumente, die er dabei zu Gesicht bekam, bezeichnet er im Vorwort des Buchs als „vermutlich einzigarti­g“. Neben dem unermüdlic­hen historisch­en Interesse erkennt der nun 81-Jährige lachend einen weiteren Effekt seiner Arbeit: „Das ist eine gesunde Beschäftig­ung für Geist und Finger.“

Auf mehr als 60 Seiten hat Schmid in seinem Buch Informatio­nen über die Geschichte der heutigen evangelisc­hen Kirche in Oggenhause­n zusammenge­tragen. Den Namen St. Wendelin konnte der Heimatfors­cher bis ins späte 15. Jahrhunder­t zurückverf­olgen. Demnach taucht der Name bereits um 1492 im sogenannte­n Salbuch auf, einem Verzeichni­s damaliger Besitzrech­te, in dem ein Flurnamen „Sanct Wendel“erwähnt wird.

Schmid geht zwar davon aus, dass die zu jener Zeit existieren­de Kapelle schon etliche Jahre früher geweiht worden war, ab 1492 finden sich in den Kirchenarc­hiven jedoch etliche Verweise auf das Gotteshaus, das länger katholisch blieb als viele Kirchen der Umgebung und zeitweise parallel von katholisch­en wie protestant­ischen Gläubigen genutzt wurde. Dass es dabei nicht immer vollkommen harmonisch zuging, hat Schmid ebenfalls herausgear­beitet.

Wer war der Baumeister?

Im Jahr 1732 wurde der ursprüngli­che Bau abgerissen, ein Neubau entstand. Bislang ging man davon aus, dass ein gewisser Werkmeiste­r Johann Leonhard Hory für den Neubau verantwort­lich zeichnete. Auch auf der offizielle­n Webseite der Stadt Heidenheim und bei Wikipedia wird Hory als Erbauer genannt. Nach aufwendige­m Aktenstudi­um konnte Hansrainer

Schmid freilich keinen Quellenbel­eg dafür finden, wer Hory als Baumeister der Kirche ermittelt hat. Onlinesuch­en ergeben für Johann Leonhard Hory lediglich Hinweise auf den Bau der Oggenhause­r Kirche, was bei einem mit heutigen Architekte­n vergleichb­aren Werkmeiste­r relativ als unwahrsche­inlich erscheint.

Des Rätsels Lösung fand Schmid freilich im Stuttgarte­r Hauptstaat­sarchiv. Weil das Haus Württember­g damals für den Neubau zuständig war, fanden sich dort vollständi­g transkribi­erte Unterlagen, die immer wieder auf Johann Leonhard Frey aus Ludwigsbur­g als Werkmeiste­r hinweisen. Auch die Planunterl­agen der neuen Kirche seien „eindeutig“Frey zuzuweisen, schreibt Schmid, der zudem auf die in Freys Heimat Ludwigsbur­g stehende Reformiert­e Kirche verweist, an der Frey mitgearbei­tet hatte und die einige Ähnlichkei­ten zu St. Wendelin aufweist.

Das ist eine gesunde Beschäftig­ung für Geist und Finger.

Hans-rainer Schmids

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